Zielstern Centauri
erholt. Sie dankte ihm warm für die Rettung.
„Gehst du mit mir zur Klinik?“ fragte sie ihn danach.
„Nein. Ich habe hier in der Nähe zu tun.“
Sie legte die Arme um ihn und küßte ihn hastig, aber innig. Ihre Lippen waren kühl und trocken – und sehr weich. Lächelnd öffnete sie die Tür. „Bis später“, sagte sie verabschiedend. Sie sah ihm nicht nach. Er war froh, denn er hätte ihr nicht zuwinken können.
Die Umgebung hatte sich verändert. Das Leben auf dem Asteroiden war anders ohne normale Menschen, durch die man ständig zu verheerenden Vergleichen gezwungen wurde. Man würde beginnen, sich gesund und vernünftig zu bewegen. Jerianns Kuß hatte ihm wohlgetan. Es war der erste Beweis von Freiheit.
Aber die nächste Aufgabe war, diese Freiheit zu wahren, ohne sie zu mißbrauchen. Er blickte sorgenvoll, als er daran dachte, wieviel Arbeit zu leisten war.
Er kam spät zur Versammlung. Außer denen, die nicht kommen konnten, waren schon alle Bekannten anwesend. Und zusätzlich noch viele, die sich sonst nie eingefunden hatten. Es war ein gutes Zeichen, daß sie kamen und Anteil nahmen. Früher hatten sie nur selten ihre Häuser verlassen. Docchi ließ sich im Hintergrund nieder.
Jordan forderte Ruhe. „Hat jemand eine Frage?“
Weiter vorn erhob sich ein Mann. Docchi erinnerte sich, ihn vor Monaten getroffen zu haben, Jack oder Jed Webber hieß er.
Jed war ein ruhiger Bursche mit blassen blauen Augen und fast farblosem blondem Haar. Docchi hatte ihn nie etwas sagen hören, aber jetzt sprach er, seine Hemmungen überwindend. „Ja“, sagte er. „Ich will wissen, wohin wir fliegen.“
Jordan antwortete ihm. „Das steht hier nicht zur Debatte. Auch ist die Frage nicht wichtig.“
„Ich denke doch“, warf Webber ein. Seine Bewegungen waren ungleichmäßig, sein Körper in der Mitte geteilt. Abgesehen vom Kopf war er halb Mensch, halb Maschine. Im Gegensatz zu anderen konnte er sich recht gut bewegen, da er je einen Arm und ein Bein hatte, an die sich der künstliche Teil anschließen ließ. Nur der grausame Vergleich mit dem Normalen hatte ihn bis jetzt daran gehindert, seine Fähigkeiten praktisch zu verwerten. „Ihr wißt nicht, wohin wir fliegen“, rief er mit lauter Stimme. „Wir bewegen uns und wissen, nicht, wohin.“
Docchi stand auf. „Ich kann die Frage beantworten. Sie muß beantwortet werden. Wir fliegen nach Centauri, entweder Alpha oder Proxima, was von beiden günstiger ist. Oder wolltest du woanders hin?“ Die Antwort ging in beiläufigem Gemurmel unter. Webber wartete hartnäckig, bis es wieder ruhig war. Er zeigte auf Nona: „Ich nehme an, du hast sie gefragt.“
Nona lächelte träumerisch.
„Nein; Das wäre ein schlechter Witz, und wir haben kein Interesse, uns über uns selbst lustigzumachen. Du hast vergessen, daß wir ein Teleskop besitzen.“
„Aber ein kleines, das aus Liebhaberei gebastelt wurde.“
„Das stimmt. Aber es ist immerhin besser als das von Galilei.“ Docchi hoffte, Webber würde nicht darauf hinweisen, daß Galilei mit seinem Instrument ja nicht eine Reise quer durch den Raum verfolgen wollte.
Aber der Mann schien befriedigt. Trotzdem müßte man sich ihn merken, er schien kritisch denken zu können.
Weiter entfernt stand eine Frau. Jordan nickte ihr zu.
„Ich wurde überhaupt nicht gefragt“, sagte sie herausfordernd. „Ich mag das alles nicht. Ich will zurück.“
„Das hättest du den Wachen sagen sollen, solange sie hier waren. Sie hätten dich sicher gern mitgenommen.“ Jordan grinste.
„Ich bin nicht die einzige.“ Sie ließ nicht locker. „Viele denken so wie ich, sie wollen es nur nicht zugeben. Wer möchte schon Jahre und abermals Jahre weiterfliegen, ohne jemals das Ziel zu erreichen?“
„Schau dir die Sterne an“, mischte sich jetzt Webber ein; er, der sonst nie etwas gesagt hatte.
„Ich will die Sterne nicht sehen“, erwiderte sie heftig. „Ich will nichts als die Sonne – unsere Sonne. Sie war so lange gut genug für alle Menschen, und ich will auch nichts anderes.“
„Das sagst du, weil du keine Ahnung hast“, sagte Webber mit Überzeugung. „Die Sterne vor uns sind viel heller. Weißt du, was das heißt?“
Docchi nickte anerkennend, sie hatten in Webber einen guten Astronomen gefunden.
Dieser fuhr fort: „Wir nähern uns der Lichtgeschwindigkeit. Es dauert nur wenige Jahre, bis wir am Ziel sind.“
Die Frau starrte ihn an und wußte nichts zu erwidern. Sie war nicht überzeugt, setzte sich
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