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Zigeuner

Zigeuner

Titel: Zigeuner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bauerdick Rolf
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Seite in der ersten Reihe der kulturpolitischen Prominenz stand, und dabei auch noch Sinti und Roma verwechselte, mag Zufall gewesen sein. Man darf dies aber auch als Indiz werten, dass die Initiatoren der Anzeigenkampagne gegen den Oberbürgermeister Metzger keine glückliche Hand hatten, als sie auf die Stimmen der Gadsche setzten.
    Beim Landgericht Frankfurt bewirkte Günther Metzger gegen die Anschuldigungen in der Zeit -Anzeige 1984 eine einstweilige Verfügung. Demgemäß wurde die Verbreitung der Behauptung, der Oberbürgermeister habe das schlimmste Beispiel für Rassismus seit 1945 geboten, unter Strafandrohung gestellt. Ebenso wie die Äußerung, Metzger habe den Abriss des Hauses in der Arheilger Straße »mit genau den gleichen Vorwänden gerechtfertigt, mit denen in den dreißiger Jahren Juden und Zigeuner zu Volksschädlingen abgestempelt worden seien«. Dieser Vergleich, befand das Landgericht, sei »völlig überzogen« und laufe letztlich auf eine »Diffamierung des Antragstellers« hinaus. Das Oberlandesgericht Frankfurt sah das anders. Es hob die Verfügung später auf und gab Romani Rose weitgehend Recht. Mit dem Vorwurf des Rassismus und dem Vergleich mit dem Stürmer, so der Tenor des Oberlandesgerichtes, hätten Rose, der Zentralrat und die Gesellschaft für bedrohte Völker von ihrem Recht der Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht. Und das werteten die Richter höher als Metzgers Recht auf Unverletzlichkeit seiner Persönlichkeit. Einen seiner Briefe an Metzger hatte Rose mit den Worten geschlossen: »Gefragt ist jetzt endlich die Ehre der Roma, Ihre, in der Sie sich getroffen fühlen, was Sie Ihrer eigenen Vorgehensweise zuzuschreiben haben, ist jetzt sekundär.«
    Günther Metzger, dessen Vater Ludwig die Bekennende Kirche mitbegründete, eine linksoppositionelle evangelische Widerstandsbewegung gegen den deutschen Faschismus, befürchtete nach dem Frankfurter Urteil, es erkläre »Politiker zu Freiwild«. Um ebendies zu vermeiden, haben Volksvertreter heute im Umgang mit heiklen Konflikten eine eigene Verhaltenstaktik etabliert. Nicht eben couragiert, doch aus persönlichem Schutzbedürfnis heraus verständlich, favorisieren sie das Schweigen. Stellvertretend für die Allianz des Verstummens zitierte Andreas Petzold, der Chefredakteur des Magazins Stern, anlässlich der Reportage über die Roma in Berlin einen hohen Stadtpolitiker mit den Worten: »In allen deutschen Großstädten haben wir inzwischen große Probleme mit Roma. Aber meine Kollegen und ich sind uns einig, lieber den Mund zu halten. Sonst wird man gleich als Nazi verschrien.«
    Wenn Verantwortungsträger das Schweigen brechen, dann zumeist unter dem schützenden Mantel der Anonymität. Erst nach der Zusage, auf keinen Fall die Informationsquelle zu nennen, ließ mir ein städtischer Migrationsbeauftragter die Kopie eines Briefes zukommen. Unter dem Aktenzeichen 50.51.70 D hatte sich die Geschäftsführung des Deutschen Städtetages in Berlin am 20. April 2012 an Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich gewandt, mahnend und um Hilfe bittend zugleich. Der Betreff: »Zuwanderung aus den EU -Beitrittsgebieten Südosteuropas«.
    In dem Schreiben ist die Rede von einem »dynamischen Zuzug von bulgarischen und rumänischen Staatsangehörigen« seit der EU -Erweiterung 2007. Die Stadtgesellschaft, so heißt es, »ist mit Umfang und vielfältigen Folgen dieser – aus unserer Sicht unübersehbaren – Armutswanderung überfordert. Das Gefährdungspotential für den sozialen Frieden in den Quartieren ist enorm.« Die Einreisenden würden weder über einen Krankenversicherungsschutz noch über ausreichende Existenzmittel verfügen, »obschon dies eigentlich Voraussetzung des Freizügigkeitsrechts ist«. Entstanden sei eine prekäre Situation mit sichtbaren Konsequenzen:
    »So erfolgt die Lebensunterhaltssicherung häufig auf dem denkbar niedrigsten Niveau durch legale oder halblegale (schein-)selbstständige Tätigkeiten. Zwangsprostitution soll mutmaßlich eine maßgebliche Rolle spielen. Ganze ›Straßenstriche‹ sind mittlerweile fest in bulgarischer Hand. Mangelnde Kenntnis des so anderen deutschen Gesellschafts- und Rechtssystems sowie die aus dem Heimatland transportierten ethnisch-spezifischen Lebensgewohnheiten verschärfen die Problematik.«
    Das klingt wie ein die Probleme offen konstatierendes, in jedem Fall diskussionswürdiges Papier. Wäre da nicht eine Merkwürdigkeit. Jeder weiß, dass mit den Zuwanderern Angehörige der

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