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Zigeunerprinz

Titel: Zigeunerprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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und Erholung. Bestimmt hatte er recht. Sie schien nicht mehr denken zu können. Wenn sie nicht vorsichtig war, würde sie sich durch eine unbedachte Bemerkung verraten. Ihr Blick wanderte zu den Pferdewagen, die um das Feuer herumstanden, vor allem zu dem einen, der blau und weiß angestrichen und mit goldenen Schnörkeln verziert war; der neuer und sauberer als die anderen zu sein schien.
    »Wo kann ich schlafen?« fragte sie und hob matt ihren Umhang auf.
    Als Roderic die schlichte Frage hörte, hielt er den Atem an. Die Versuchung, sie zu seinem Wagen, seinem Bett zu führen, war so groß, daß er nicht antworten konnte. Woher kam diese plötzliche Woge des Verlangens nach einer verschmutzten, verletzten, namenlosen Frau? Sie war schön, aber er hatte schon oft schöne Frauen gesehen, hatte mehr als seinen Teil davon gehabt. Sie faszinierte ihn - nicht zuletzt deshalb, weil ihr Akzent und ihre Wortwahl denen seiner Mutter glichen und verrieten, daß sie aus Louisiana kam -, aber Frauen mit mysteriöser Vergangenheit gab es in Paris zehn auf jeden Centime. Nein, es war etwas anderes, etwas Undefinierbares, etwas, vor dem er sich in acht nehmen mußte. Dennoch war sein Wagen der sicherste Ort.
    Mara sah auf, und als sie seine ausdruckslose, unentschiedene Miene bemerkte, spürte sie, wie ihr Herz zu klopfen begann. Eine entsetzliche Hoffnung stieg in ihr auf, gepaart mit niederschmetternder Angst davor, daß diese Verführung ihr nur allzu leicht gemacht würde. Sie spürte das fast unwiderstehliche Bedürfnis, ihre Hand auszustrecken, ihn zu berühren, und wußte mit instinktiver Gewißheit, daß das richtig wäre. Der Drang wurde stärker, entfaltete sich, bis sie nicht länger wußte, ob er nur geistig und ein kalkuliertes Verlangen oder wirklich ein physisches Bedürfnis war. Es machte keinen Unterschied. Sie konnte sich zu keiner Bewegung aufraffen.
    Er sprang auf die Füße, drehte sich mit einer kraftvollen Grazie von ihr ab, die von gut geübten Muskeln kündete.
    Sein Befehl durchschnitt die Nachtluft mit der gefährlichen Gelassenheit eines Degenstoßes. Die Musik endete. Männer und Frauen bewegten sich, sammelten Teppiche, Töpfe, Schalen und Waffen auf, zogen sich vom Feuer zurück und verschwanden in den Pferdewagen oder der Dunkelheit dahinter. Ein junges Mädchen kam und knickste vor Mara, nahm ihre Hand und führte sie zu dem blauweißen Wagen. Steif stellte sich Mara auf die Füße. Sie folgte ihr, ohne noch einmal den Kopf zu drehen und sich umzusehen.
    Der Prinz stand allein neben den lodernden Flammen. Seine Miene war grimmig. Dann ließ er sich mit beherrschten Bewegungen wieder auf dem Teppichstapel nieder, der liegengeblieben war. Er nahm die Mandoline auf und begann, ein Lied zu spielen.
    Mara vernahm die Melodie, als sie in den Wagen treten wollte, und verharrte. Hin- und hergerissen zwischen Erheiterung, Zorn und dem eigenartigen Gefühl, gleich weinen zu müssen, mußte sie sich zwingen, weiterzugehen. Das Lied, das der Prinz spielte, war von spöttischer Süße, betörend und verlockend zugleich. Es war ein Schlaflied.

2. Kapitel
    Der Pferdewagen des Prinzen unterschied sich von außen kaum von den anderen, abgesehen vielleicht von der frischeren Farbe. Das Innere jedoch erschien Mara wahrhaft königlich und keineswegs zigeunerhaft eingerichtet. Die Ausstattung war prächtig und wertvoll, aber zugleich mit einer Sorgfalt und einem Sinn für Abwechslung ausgewählt, die typisch für diesen Mann zu sein schienen.
    An zwei Wänden des Wagens reihten sich Bücher in fünf verschiedenen Sprachen, Werke über Philosophie und Kunst, Religion und Geschichte, Musik und Kriegführung. Die beiden anderen Wände waren mit einer kostbaren Täfelung versehen, an der in Kardanaufhängungen Messinglampen angebracht waren. In einer Ecke stand ein Tisch, über den, einen ziselierten Stahl- und Messingsäbel halb unter sich begrabend, Notenblätter ausgebreitet waren. Darunter ruhten Koffer mit Musikinstrumenten. Wegen des knappen Raumes stand dicht daneben ein Sekretär.
    Auf seiner Schreibfläche befanden sich ein Tintenfaß aus Gold und Glas mit einer goldenen Schreibfeder im Halter und ein paar säuberlich aufgestapelte Quartbögen. Ein Stuhl mit hoher Rückenlehne stand hinter dem Schreibtisch, aber es gab auch einen bequemen Sessel mit gebogener Lehne und passender Fußbank, die beide mit dunkelblauem Samt bezogen waren. Der Boden war mit poliertem Holzparkett belegt, in dessen Zentrum ein

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