Zigeunerprinz
Griff. Sein Haar war zerzaust, als wäre er ständig mit den Fingern hindurchgefahren, und feucht von der Hitze des Feuers, das im Ofen brannte. Bartstoppeln glänzten golden im Kerzenlicht. Seine Augen waren rotgerändert vor Schlaflosigkeit, und dunkle Schatten lagen darunter.
Er hob ihre Finger an seinen Mund, berührte sie mit seinen Lippen. »Verlaß mich nicht«, flüsterte er. »Mara, meine Geliebte, wenn meine Liebe dich halten kann, dann werde ich dich nicht gehen lassen.«
Mara schloß die Augen. Frieden. Ruhe. Das knisternde Feuer. Eine Kerzenflamme blakte. Ihre Brust hob sich und sank unter einem unhörbaren Seufzer. Sie lag reglos.
Roderic beobachtete sie, wagte kaum zu atmen. Nach einiger Zeit stand er auf und legte ihre Hand vorsichtig auf der Matratze ab. Er hob die Decke und zog sie über die dünnen Finger. Mit sichtbar zitternder Hand strich er die schwarzen Haarsträhnen aus ihrem Gesicht. Er schloß die Augen, spannte seine Schultermuskeln an und lockerte sie dann mit gewaltsamem Schütteln, so daß ihn ein Schauder überlief. Feuchtigkeit sammelte sich unter seinen Lidern. Er wischte sie weg und wandte sich dann vom Bett ab.
Ihre Hand war schweißnaß geworden. Sie durfte sich nicht erkälten, indem sie sie im Freien liegen ließ. Das Fieber war gebrochen.
Eine Woche später saß Mara im Bett, von unzähligen Kissen gestützt. Sie trug ein Bettjäckchen aus rosafarbenen Spitzen. Ein breites rosafarbenes Band hielt das Haar aus dem Gesicht zurück. Neben dem Bett lag ein aufgeschlagenes Buch, während auf dem Nachttisch eine mit Silberpapier ausgeschlagene Schachtel stand, in der Bonbons gewesen waren. Das Zimmer war warm und roch nach Blumen, Veilchen, Narzissen, Osterglocken und Treibhausrosen, die auf dem Kaminsims und den Tischen standen. Trude und Estes spielten eine Partie Siebzehn und Vier an einem kleinen Tisch vor dem Feuer. Michael lag ausgestreckt auf dem Teppich, hatte das Kinn in die Hand gestützt und versuchte, eine Zeitung zu lesen. Jacques und Jared, die nahebei lagerten, gaben zu schlafen vor, obwohl auf Jareds Bauch ein Welpe herumtapste und ein weiterer an Jacques' Ohr leckte. Die Eltern der Welpen hatten sich zusammengerollt, die anderen beiden
Sprößlinge ganz in ihrer Nähe, und ignorierten würdevoll, welchen Schabernack das zweite Welpenpaar trieb. Zum erstenmal hatte man Mara Besuch gestattet, und es bereitete ihr Vergnügen, ihre Gäste so entspannt in ihrem Schlafzimmer zu sehen.
Roderic saß am Fußende des Bettes, hatte den Rücken gegen das Fußbrett gelehnt und ließ ein Bein herabbaumeln. Auf seinem angezogenen Knie lag seine Mandoline. Seine kräftigen Finger entlockten ihr eine weiche, betörende Melodie. Sein Blick war fest auf Mara gerichtet.
Sie war lieblich an diesem Morgen, das Rosa, das sie trug, brachte Farbe in ihr Gesicht. Trotzdem strahlte sie immer noch etwas Ätherisches aus, und ihr schwer zu erfassendes Verhalten ängstigte ihn. Allerdings war sie nicht mehr so dünn oder so bleich wie anfangs. Auch ihre Lebensgeister kehrten zurück. Als er gestern abend darauf bestanden hatte, daß sie Rotwein trinken solle, um neues Blut aufzubauen, hatte sie gewartet, bis er ihr den Rücken zudrehte, und dann das ganze Glas in die Blumenvase gegossen. Die Krokusse waren prompt welk geworden, doch er hatte ihr diesen kleinen Sieg zugestanden. Er hatte sich inzwischen daran gewöhnt, sie zu allem zu drängen, was gut für sie war, und war gar nicht auf den Gedanken gekommen, daß er vielleicht zu fürsorglich sein könnte. Es war ein so köstliches Vergnügen gewesen, dieses kleine, heimliche Triumphlächeln auf ihrem Mund zu sehen statt der Lustlosigkeit, mit der sie seine Befehle befolgte, daß er gerade noch seinen Drang unterdrücken konnte, sie in die Arme zu nehmen und sie über und über mit Küssen zu bedecken. Dafür war sie noch nicht bereit. Noch nicht. Er konnte warten, bis sie es war. Er würde warten.
Mara rutschte auf ihren Kissen umher und schnitt eine Grimasse. Roderic setzte sich auf und legte die Mandoline beiseite. »Möchten Sie sich hinlegen? Soll ich die Kissen aufschütteln?«
»Nein, es ist alles in Ordnung«, antwortete sie und streckte eine Hand aus, wie um ihn zurückzuhalten. Die Pistolenkugel hatte sie an den Rippen getroffen. Sie hatte eine
Rippe durchschmettert und war direkt dahinter steckengeblieben. Die Verletzung wäre schwerer gewesen, hätte ihr Korsett die Kugel nicht abgelenkt und verlangsamt. Die Suche des
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