Zigeunerprinz
eine Reihe von Sozialisten aus dem Hotel de Ville vertreten sind. Frankreich hat nun seine Zweite Republik bekommen, und Lamartine steht an ihrer Spitze.«
»Wird sie von Dauer sein?«
»Das bezweifle ich. Es erfordert einen dicken Schädel und großen Weitblick, ein Land zu führen. Für Idealismus ist da wenig Raum. In dem ganzen Aufruhr war von den Bonapartisten nichts zu sehen. Sie stehen hinter dem Vorhang und warten nur darauf, daß Lamartine stolpert oder seinen Einsatz verpaßt. Sobald er das tut, betreten sie die Bühne.«
»Und Louis Napoleon wird König.«
»Oder Kaiser, so wie sein Onkel.«
Sie runzelte die Stirn. »Sie glauben, das würde er wagen?«
»Ruhige Männer sind oft die ehrgeizigsten und wagemutigsten.«
»Wie de Landes.«
Er sah sie an. »Nein, nicht wie de Landes. Louis Napoleons Ziel ist es, den Stolz Frankreichs wiederherzustellen und zu festigen, nicht alles zu zerstören, nur um ein paar Vorteile für sich selbst dabei zu ergattern. Ich verstehe, was Sie empfinden, Mara, und ich rechne Ihnen das hoch an. Unser Mitgefühl macht uns zu Menschen. Der Lebensfluß durchströmt uns alle, und ihn anzuhalten bedeutet, seine Kraft zu schwächen. Ich bedauere, daß ich es nicht selbst tat, als ich die Gelegenheit dazu hatte.«
»Damit Sie die Schuld auf sich nehmen könnten?«
»Es wäre mein Vorrecht gewesen.«
Sie schaute ihn eindringlich an. »Ich trage die Verantwortung dafür und ebenso das Vorrecht.«
»Weil«, sagte er, wobei sich ein Lächeln um seine Lippen legte und in seine Augen stieg, »Sie meine wertlose Haut gerettet haben?«
»Nehmen Sie es als Wiedergutmachung.«
Sein Lächeln erstarb. Abgehackt fragte er: »Wofür?«
»Für den Betrug.«
»Was das betrifft«, grinste er, »habe ich die Wiedergutmachung längst erhalten.«
»Und was ist mit dem Treffen?«
»Meine übergroße Zuversicht. Mein mangelndes Vertrauen. Ich habe mich zu sehr auf ... eine Verständigungsweise verlassen, die enge Grenzen hat.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich glaubte, ich könnte Ihre Gedanken lesen. Aber vielleicht habe ich die ganze Zeit über nur meine eigenen Sehnsüchte gelesen.«
»Nein!« Sie setzte sich abrupt auf und fiel dann mit einem Schrei zurück, kurz und flach atmend. Mit einem Fluch sprang Roderic zu ihr. Er hielt sie, schleuderte die Kissen beiseite und legte sie flach auf den Rücken. Er schlug ihr Bettjäckchen zurück, öffnete die Knöpfe ihres Nachthemds und zog es ohne Zögern oder Rücksicht auf Sitte und Anstand auf. Er hatte das schon oft gemacht, das wußte sie, aber nie war sie sich dessen bewußt gewesen. Jetzt war sie es.
Als seine Hand über sie strich, nach frischem Blut oder einem Zeichen dafür suchte, daß sich ihre Wunde wieder geöffnet hatte, tobte in ihrer Brust ein Schmerz, der nichts mit der Wunde in ihrer Seite zu tun hatte. Sie sah, wie die Anspannung aus seiner Miene wich, wie sich die Falten um seine Augen glätteten, und mußte schwer schlucken. Es war leichter, wütend zu sein, als wenn sie sich erlaubte, sich von seiner Fürsorge anrühren zu lassen oder als wenn sein bloßer
Anblick so dicht über ihr sie dahinschmelzen ließ. Einen Augenblick ruhten seine Knöchel auf ihrer Brust, während er den Verband darunter abtastete.
Sie schlug seine Hand beiseite.
»Mit mir ist alles in Ordnung.«
»Ja«, stimmte er ihr mit einem leisen Lächeln zu, »das glaube ich auch.«
Er wollte ihr Nachthemd wieder zuknöpfen. Noch einmal stieß sie seine Hand beiseite. »Ich werde das tun.«
»Ich kann nicht zulassen, daß Sie Ihre Kräfte überschätzen«, erklärte er mit tiefem Ernst und wandte sich wieder seiner Aufgabe zu.
»Da besteht wenig Gefahr, solange Sie ständig um mich herum schwirren.« Diesmal packte sie seine Handgelenke. Zu spät wurde ihr klar, daß sie ihm damit den Zugang zu ihren Knöpfen verwehrte, aber sich selbst ebenso.
»Ich erfülle jeden Ihrer Wünsche, wie der perfekte Sklave. Macht Sie das nicht glücklich?«
»Doch, ekstatisch, mit der Ausnahme, daß Sie zwar kommen, wenn ich rufe, aber nicht wieder gehen, wenn Sie nicht gebraucht werden.« Unter ihren Fingern schlug hart und nicht ganz regelmäßig sein Puls, eine faszinierende Entdeckung.
»Ich beginne zu verstehen. Scheue, empfindsame Blüte, die Sie sind, fühlen Sie Ihren Anstand in Bedrängnis«, sagte er. Sein Tonfall war sanft vor gespieltem Mitleid, aber in seinem Blick lag diebische Freude, als er ihn auf ihre bloßen Brüste senkte. »Wie können Sie mir
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