Zigeunerprinz
je vergeben?«
Mit lächerlicher Mühelosigkeit hätte er ihren Griff brechen können, das wußten sie beide. Daß er sich mit dem Bild, das sie bot, zufriedengab, mit dem schwarzglänzenden Haar, das den Hintergrund für ihre Nacktheit abgab, mit den vor Zorn und aufgrund einer verspäteten, sich als Verlegenheit gebenden Einsicht geröteten Wangen, wußten sie ebenfalls. Und doch lag unter seinem Amüsement solche Zärtlichkeit, daß sie den Atem anhielt.
Er bemerkte die plötzliche fragende Verletzlichkeit. Sie erforderte eine Antwort. Unwiderstehlich von dem weichen Schwung ihres Mundes angezogen, beugte er sich über sie.
Es klopfte an der Tür. Direkt darauf wurde sie energisch geöffnet, und ein Mann trat ein. Er war von vornehmer Erscheinung, mittelgroß und etwa Mitte Fünfzig. Sein Schnurrbart und schmaler, gestutzter Kinnbart waren grau gesprenkelt, und sein Kopfhaar schütter: Seine Haut war von der Sonne des Südens tief gebräunt, wirkte fast oliv. Seine Augen waren dunkel, und die tiefen Falten in den Augenwinkeln verrieten ein gewöhnlich fröhliches Gemüt. Jetzt allerdings stieg Zorn in ihnen auf angesichts des Bildes, das sich ihnen bot.
»Was hat das zu bedeuten?« verlangte er zu wissen.
»Dasselbe könnte ich fragen -«, setzte Roderic an.
»Papa!« entfuhr es Mara.
»- doch«, fuhr Roderic glatt fort, »scheint sich das bereits erledigt zu haben.«
Mara gab fassungslos seine Hände frei, Roderic richtete sich auf und drehte sich mit geschmeidiger Eleganz um, so daß sein Körper sie abschirmte. Hinter seinem Rücken schloß sie zitternd vor Hast ihr Nachthemd und schlug die Seiten ihres Bettjäckchens wieder darüber.
»Sie, Monsieur, müssen Andre Delacroix sein«, fuhr Roderic fort und vollführte eine höfliche Verbeugung. »Ich nehme an, man hat Sie bereits in aller Form im ruthenischen Haus willkommen geheißen, aber ich möchte mich dem dennoch anschließen.«
Hinter Maras Vater tauchte Angeline im Türrahmen auf. Ihre grünen Augen waren voll stiller Erheiterung, die von Sorge überlagert schien.
»Auch Sie braucht man nicht vorzustellen«, verkündete Andre knirschend. »Ich würde Sie jederzeit als Rolfs Sproß erkennen. Sie haben dasselbe Aussehen, von derselben verdammenswerten und ungetrübten Boshaftigkeit ganz zu schweigen!«
»Ich danke Ihnen, Monsieur.«
»Das war nicht als Kompliment gemeint! Würden Sie die Güte haben, mir zu erklären, was Sie mit meiner Tochter gemacht haben?«
»Nein.« Diese schlichte, schmucklose Antwort schien Andres Zorn mehr anzufachen, als es eine noch so blumige Ansprache vermocht hätte. »Wirklich nicht? Ich erhalte einen schockierenden Brief von meiner Tochter, in dem sie Vorgänge schildert, die ich nur als unglaublich umschreiben kann. Nach wochenlanger Reise, um die ganze Geschichte aufzudecken, komme ich hier an, um zu erfahren, daß man auf sie geschossen hat, und um dann mit eigenen Augen zu sehen, wie Sie ihr Ihre Aufmerksamkeiten aufzwingen, während sie noch im Bett liegt! Als ihr Vater verlange ich volle Aufklärung darüber, was sie unter Ihrem Dache tut.«
»Eine Aufklärung, die nicht vonnöten wäre, hätten Sie Ihre Tochter nach Paris begleitet, wie es Ihre Aufgabe gewesen wäre.«
Andre warf ihm einen niederschmetternden Blick zu. »Wollen Sie mich etwa über meine Pflichten belehren, Monsieur?«
»Jemand sollte das offenbar tun.« Roderic, dessen Miene grimmige Entschlossenheit ausstrahlte, ließ sich von der inbrünstigen Wut seines Gegenübers nicht aus der Ruhe bringen.
Angeline trat vor, um zwischen ihren Sohn und ihren ehemaligen Verlobten zu treten. »Bitte, ich glaube nicht -«
»Ich verlange, meine Tochter allein zu sprechen«, verkündete Andre gepreßt.
»Das ist unmöglich.«
»Sehen Sie, junger Mann, Sie mögen ein Prinz sein, Sie mögen jene kommandieren, die Ihnen folgen, aber Sie haben keine Rechte über mich oder meine Tochter.«
Mara sah, wie sich die Kiefermuskeln des Prinzen verkrampften, wie sich seine Hände zu Fäusten ballten. Sie versuchte, sich aufzusetzen, flehte: »Roderic-«
Er hörte die Bitte, und seine Miene entspannte sich. Er schaute auf sie herab, und als er sah, wie sie sich abmühte, eilte er zu ihr und half ihr auf. Sein Arm stützte sie wie ein eisernes Band quer über ihren Rücken, er zog die Kissen hinter ihr hoch und ließ sie mit geübter Hand zurücksinken.
»Mein Sohn hat sich, wie Sie sehen können«, meinte Angeline ruhig zu Andre, »seit Maras Verletzung um
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