Zigeunerprinz
sie, daß ihm nichts, was sie tat, nicht die kleinste Bewegung, entging. Es war beunruhigend.
Roderic beendete sein Mahl und warf die Serviette auf den Tisch. Mara pickte noch etwas länger in ihrem Essen herum, dann legte sie die Gabel ab. Roderic lächelte, eine liebkosende Bewegung seiner Lippen.
»Sie haben sehr wenig gegessen.«
»Ich war nicht hungrig.«
»Fühlen Sie sich wohl? Keine Nachwirkungen von dem ... Unfall?«
»Nein, nein, nichts Derartiges.«
»Gut.« Er erhob sich und reichte ihr die Hand. »Kommen Sie, ich möchte Ihnen etwas zeigen.«
Sein Griff war warm und fest. Er zog sie in Richtung Schlafzimmertür, drückte diese auf und führte sie hinein. Sie machte ein paar Schritte in das Zimmer und blieb dann mit großen Augen stehen.
Die Luft im Schlafzimmer, gewärmt von einem hellodernden Feuer, roch schwer nach Parmaveilchen. Überall waren die tiefblauen Blumen: in kleinen Vasen auf dem Kamin, zwischen Farnwedeln in silbernen filigranen Haltern auf einem kleinen Tischchen; auf dem Boden verteilt. Aber vor allem waren sie an den neuen Vorhängen aus violetter Seide befestigt, die als Untervorhänge über dem Bett hingen, und auf der cremefarbenen Seidendecke ausgestreut. Auf einem Stuhl lag, liebevoll ausgebreitet, ein Nachthemd aus Spitze, die fein wie Spinnweben und ebenso durchsichtig war, und auf dem mit Monogramm versehenen, spitzenbesetzten Seidenbezug über dem flauschigen Daunenkissen lag eine mit blauem Samt überzogene Schachtel in Form einer Muschel, auf der das Emblem des teuersten Juweliers von Paris, Fossin, prangte. Die Schachtel stand offen und stellte auf einem Bett aus weißem Samt eine Diamantkollektion, bestehend aus Halskette, Armband und Ohrringen, zur Schau.
Mara wirbelte herum und schaute Roderic an. »Was soll das?«
»Naivität, und sei sie nur gespielt, ist außer Mode. Ihnen muß doch klar sein, daß dies nicht weniger ist als die ideale Dekoration für eine Verführung.«
»Ihre oder meine? Nach dem, was zwischen uns vorgefallen ist, muß sich diese Frage stellen.«
»Wessen Sie vorziehen«, antwortete er mit unschuldigem und einzigartig süßem Lächeln.
Sie schluckte schwer. »Ich dachte, Sie wären entschlossen, mir zu widerstehen, und zwar zu meinem Besten.«
»Hingabe ist ein bezaubernder Luxus, der sich mir nicht oft bietet. Ich habe meine Meinung geändert.«
»Unbeständigkeit, dein Name ist Mann!«
Es war eine Revanche und treffender, als sie ahnte. Trotzdem gefiel ihm ihr Mißtrauen, denn es bewies, daß sie eine ebenbürtige Gegnerin war. Es irritierte ihn auch mehr, als er gewünscht hätte. Es war schon sehr lange her, seit er zum letztenmal unschlüssig gewesen war, wie er am besten mit einer Situation oder einer Frau umgehen sollte.
»Ich will Sie«, sagte er, und sein Blick kam hinter den spitzen goldenen Wimpern zur Ruhe, da er die Wahrheit sagte. »Gibt es einen besseren Grund?«
Sie wollte ihn auch, und der Schmerz, den diese Begierde auslöste, war wie ein Messer, das sich in ihr Inneres bohrte. Und doch spürte sie vor allem Bedauern. Sie hatte ihm seine Skrupel zugute gehalten, seine gnadenlose Selbstbeherrschung. Er hatte sie verloren.
»Ich erwarte Ihre Entscheidung.«
Zu verführen oder verführt zu werden. Hatte sie eine andere Wahl? Sie sah keine. Natürlich, sie hätte sich der Gnade des Prinzen anvertrauen und ihn um Hilfe anflehen können, ihre Großmutter zu retten. Er würde verstehen, dessen war sie sicher, aber es gab keine Garantie, daß er etwas unternehmen würde. Vielleicht war ihm die Sicherheit einer alten Dame weniger wichtig als die Rache über einen erwiesenen Feind. Roderic trug große Verantwortung, und hinter der Verschwörung gegen ihn steckte mehr, als man sie hatte wissen lassen.
Sie glaubte nicht, daß er physischen Zwang ausüben würde, sollte sie sich entschließen, jetzt noch den Rückzug anzutreten, aber sie konnte nicht sicher sein. Er besaß eine Entschlossenheit, die jede Sicherheit ausschloß. Aber selbst wenn sie nicht zu weit gegangen war, da gab es immer noch de Landes, der sie bedrohte. Die Tage gingen bald zur Neige, der Ball kam immer näher. Sie mußte handeln.
Sie brauchte nur vor ihn hinzutreten, ihre Hände auszustrecken und ihn zu berühren, dann war die Tat vollbracht. Etwas hielt sie zurück. Es waren nicht Angst oder physisches Widerstreben, keine Verlegenheit oder gar Schüchternheit, obwohl sie all dies empfand. Es war die ausgesuchte Höflichkeit des Prinzen, die
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