Zigeunerprinz
Quintessenz jener Grazie und Kraft und ausgeprägten Beherrschung, dirigiert von blitzschneller Intelligenz, die er in den letzten Tagen gegen andere eingesetzt hatte. Sie schien ihr angesichts einer solchen Gelegenheit zu durchdacht. Sie mißtraute sich selbst und ihm, aber vor allem mißtraute sie ihrer Fähigkeit, sich davor zu schützen. Sie erkannte ganz klar, daß er zwar ihr die Wahl überlassen hatte, aber keineswegs so neutral war, wie er gern gewirkt hätte. Er hatte vor, sie zu verführen. Die Frage war, warum? Und konnte sie ihn davon abhalten? Konnte sie ihn statt dessen verzaubern?
Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern stellte sich ans Bett und nahm die samtbezogene Schachtel auf. Er legte sie auf den Nachttisch und entnahm ihr das phantastische Kollier mit den schweren glitzernden Diamanten.
Sie trat zurück. »Nein, bitte nicht.«
»Fürchten Sie sich?«
»Nein.« Das leise gesprochene Wort klang unsicher.
Er legte die Diamanten um ihren Hals und ließ den Verschluß einschnappen. »Selbst wenn Sie sich fürchteten«, sagte er, so daß sein Atem über die seidigen Härchen an ihrer Schläfe strich, »zu wagen bedeutet, die Furcht zu leugnen und zu leben.«
»Wie könnte ich dann das Wagnis scheuen?«
Das Kollier lag kalt und schwer auf ihrer Brust. Wollte er sie damit bestechen? Und wenn, dann konnte sie es sich nicht leisten, entrüstet zu sein. Er war ihr nahe, so nahe. Wenn sie sich umdrehte, läge sie in seinen Armen. Es war höchste Zeit, genau das zu tun. Aber wie konnte sie? Er war der Prinz, und er verkörperte die Macht und die geschliffene Perfektion dieses Titels. Dadurch und aufgrund der strengen Herrschaft, die er über seine Männer und sich selbst ausübte, schien er irgendwie nicht sterblich. Trotz all ihrer tapferen Worte fürchtete sie sich. Es war nicht einfach Furcht vor dem physischen Beisammensein, das kommen mußte, obwohl das allein beängstigend genug war, sondern davor, daß seine Nähe sie geistig wie körperlich nicht unberührt lassen würde. Sie würde sich ändern, daran zweifelte sie nicht. Es war sogar möglich, daß sie wie eine Maid, die sich einem unbekannten uralten Gott hingab, zerstört werden würde.
Es gab nur einen Weg, diese unbegründete Furcht zu besiegen. Steif wie eine Figur auf einer Spieluhr drehte sie sich um, plazierte ihre Fingerspitzen auf dem festen weißen Stoff seiner Uniformjacke und ließ sie aufwärts rutschen.
Plötzlich schwoll sein Brustkorb unter seinem tiefen Atem. Er umfaßte ihre Ellbogen und zog sie an sich. Sie schaute auf und war sofort in dem blauen Feuer seines Blicks gefangen. Als sie das brennende Strahlen darin sah, erkannte sie, daß, so prinzlich er auch sein mochte, seine Begierde ganz und gar menschlich war.
Er senkte den goldenen Kopf, und seine festen, weichen Lippen berührten ihre, lockten sie sanft. Blindlings drängte sie sich näher an ihn. Seine Hände glitten von ihren Ellbogen über ihre Oberarme auf ihren Rücken und zogen sie an ihn, während der Kuß inniger wurde. Ihr Herz hämmerte gegen ihre Rippen, während ihr das Blut schneller und heißer durch ihre Adern floß. Ihr Atem drang kaum durch ihre Kehle. Ihre Lippen verschmolzen mit seinen, verbanden sich untrennbar mit ihnen, und unter ihrem Mieder und dem warmen Gewicht des Diamantenkolliers schwoll ihr Busen prall an. Sein Mund schmeckte so schmerzlich süß, so unendlich verlockend. Sie ließ ihre Hände höher wandern, verschränkte sie hinter seinem Kopf, fuhr mit den Fingern durch die kurzen, festen Locken, die im Nacken länger wurden. Sie konnte an nichts mehr denken außer an den vollkommenen und unerwarteten Genuß des Augenblicks.
Seine Finger entdeckten auf ihrem Rücken die Haken ihres Kleides. Mit leisem Klicken löste er einen nach dem anderen. Ein leichtes furchtsames Beben überlief sie, aber sie unterdrückte es und konzentrierte sich statt dessen auf das Spiel seiner Schultermuskeln unter der Uniformjacke, das durch seine Betätigung ausgelöst wurde. Sie wollte seine nackte Haut berühren. Der Wunsch war schockierend, aber nicht zu leugnen. Sie zwängte eine Hand zwischen die beiden Körper und begann mit tastender Vorsicht, die verzierten Schnürverschlüsse seiner Jacke zu öffnen.
Challis über Kambrik, Wollgarn über Leinen, so fielen ihre Kleider zu Boden und landeten mit leisem, seufzendem Wispern auf dem Boden. Puffärmel über Bügelfalten, sanft gekräuselt, steif gestärkt, so häuften sie sich auf- und
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