Zigeunerprinz
Wie könnte er auch?«
»Leicht«, antwortete sie trocken.
»Sie fürchten sich vor ihm?« fragte Balzac und schaute sie stirnrunzelnd an.
»Nein, nein. Aber manchmal ist es schwierig, um etwas zu bitten, vor allem, wenn es einem wichtig ist. Finden Sie das nicht auch?« Sie hatte zuviel gesagt; sie begriff das, sobald sie es ausgesprochen hatte. Vielleicht machte es nichts.
»Es mißfällt Ihnen, den Anschein zu erwecken, daß Sie Ihre Gunst gegen ... Privilegien einhandeln.«
»Ich wußte, daß Sie verstehen würden«, sagte sie bemüht heiter. Bevor er weitersprechen konnte, wechselte sie geschwind das Thema.
Sie sprachen über eine Reihe von Dingen, und die Zeit verflog. Nach und nach kehrte die Truppe zurück, ebenso Juliana in ihrem eleganten Reitkleid. Dazu gehörte eine soubreveste aus schwarzem Samt mit einem grauen Litzenkreuz im Stil der Grauschwarzen Musketiere Ludwigs XVIII. Sie wurde über einer roten Jacke und unter einem Hut getragen, der wie ein gefiederter Helm wirkte. Begleitet wurde Juliana von zwei Poeten, deren Namen im allgemeinen Durcheinander untergingen, und einem mürrischen Comte, der ihr nachlief wie ein Hund einem besonders saftigen Knochen. Wenig später kam Roderic hereingeschlendert. Er lächelte Mara quer durch den Raum zu und grüßte sie, indem er das Weinglas erhob, das ihm ein Diener gereicht hatte.
Mara störte es nicht im geringsten, daß er keinen Versuch unternahm, zu ihr zu kommen. Sie hatte ihn seit den frühen Morgenstunden nicht gesehen; sie hatte noch geschlafen, als er aufgestanden war. Sie hatte keine Ahnung, was sie ihm sagen sollte, wenn sie wieder voreinander standen.
Sie fühlte sich irgendwie verändert, seit sie die Nacht mit ihm verbracht hatte. Oh, hier und da gab es ein paar wunde Stellen, aber die waren nicht wichtig. Es war ihr so natürlich, so richtig erschienen, als es geschehen war, keineswegs wie die schreckliche Prüfung, die sie nach dem Geflüster und zufällig belauschten Bemerkungen ihrer Kindheit oder nach ihrer Erfahrung mit Dennis' ungestümem Gegrabsche erwartet hatte. Trotzdem fühlte sie sich anders, auf geheime Weise gebrandmarkt. Über Nacht war sie die Mätresse des Prinzen geworden. Viele hatten das bereits vermutet; jetzt war es Wirklichkeit geworden. Mätresse. Nie hatte sie geglaubt, so etwas zu werden.
Immer mehr Gäste erschienen, bis der Raum aus allen Nähten zu platzen schien. Mara, bemüht, ihre Pflichten als Haushälterin und Gastgeberin nicht zu vernachlässigen, sorgte für Erfrischungen und wanderte langsam durch den Raum. Auch Juliana gesellte sich bald hier, bald dort zu den Menschen und plauderte in einer mühelosen Zurschaustellung königlicher Höflichkeit zuerst mit diesem, dann mit jenem. Roderic verhielt sich ebenso.
Dann brachen die Gäste, wie auf ein magisches Signal hin auf, da die Stunde der Vormittagsbesuche vorüber war. Balzac verabschiedete sich, gefolgt von den Poeten und dem Comte. Die Truppe zog sich in die Galerie zurück, die sie mit Beschlag belegt hatte. Nur Juliana war noch im Zimmer, als sich Roderic neben Mara auf das Kanapee fallen ließ.
»Man hat mich davon in Kenntnis gesetzt«, sagte er, »daß Sie mehr als alles andere wünschen, zum Ball der Vicomtesse zu gehen.«
Sie warf ihm einen kurzen Seitenblick zu, und verräterische Röte stieg in ihre Wangen. Sie hatte sich noch nicht vorbereitet, war überhaupt nicht bereit. »Ich ... ich nehme an, das hat Ihnen Monsieur Balzac verraten.«
»Er war so freundlich. Er schien zu glauben, ich würde mich freuen, wenn ich erführe, wie ich Ihnen einen Gefallen tun kann.«
»Natürlich hat er sich geirrt.«
»Warum sollten Sie das glauben? Auch Dichter und Diebe und schreiende Esel sagen manchmal die Wahrheit. Zufällig hatte er recht, obwohl ich es eingestandenermaßen eigenartig finde, eine Predigt über die Empfindsamkeit der Frauen anhören zu müssen und über die Verpflichtung der Männer, ihre sehnlichsten Wünsche zu erfüllen. Ebenso eigenartig, wie ich es finde, Ihre Wünsche von ihm vorgetragen zu bekommen.« Er lehnte sich zurück, streckte seine langen Beine aus und faltete die Hände über dem Bauch. »Warum haben Sie mir das nicht selbst gesagt?«
»Ich ... ich hatte keine Ahnung, daß das möglich war.«
»Das meinte auch Honore. Die Frage ist, was reizt Sie so an diesem Ereignis?«
Sie machte eine hilflose Geste. »Es ist ein Galaempfang.«
Juliana gesellte sich zu ihnen und nahm, ihren Reitrock glattstreichend, Platz.
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