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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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schwimmst.«
    »Und dann diese Erkenntnis, dass ihr alle es ernst meintet, dass ihr mich tatsächlich vors Gericht zerren würdet. Mich bestrafen würdet. Ich hab das einfach nicht glauben können, Yakoub, dass mir das passieren muss.«
    »Würdest du jetzt bitte runterkommen? Auf den Boden der Tatsachen?«
    »Und alle, alle haben sie gegen mich ausgesagt – meine Freunde, meine leiblichen Vettern …«
    »Mann, so hör doch! Das alles sind doch inzwischen uralte Kamellen, Valerian.«
    »Sind sie das? Wirklich?« Seine Stimme war nun sehr schwach geworden. Und ich überlegte mir, ob er vielleicht jetzt auf einem sekundären Geistertrip zu seinem Hauptspuk war, sich in die Zeit seiner Gerichtsverhandlung zurückkatapultierte und das Ganze in den fragmentarischen Momentintervallen noch einmal von neuem durchlebte. Und dann fragte ich mich, wie oft er das Ganze wohl wirklich immer und immer wieder durchleben musste. Diese eine fundamentale traumatische Lebensprobe, seine persönliche Heimsuchung?
    Damals, als es darum ging, hatte Valerian ein Schiff zuviel gekapert. Außerdem auch noch das falsche. Und wir mussten ihn dafür büßen lassen. Und dann hatte er mir einfach – trotz allem – leid getan. Also bewahrte ich ihn vor der fürchterlichsten Strafe, die es für einen Rom überhaupt geben kann, rechtzeitig im letzten Augenblick.
    »Yakoub?« Er murmelte nur vor sich hin. »Yakoub, weißt du, ich hatte Angst. Weißt du, dass ich wirklich Angst gehabt hab?«
    »Ich weiß.«
    Nein, inzwischen war es wohl sinnlos, wenn ich versuchte, ihn auf die aktuellen Vorgänge im Königreich zurückzubringen. Oder auf sonst irgend etwas von Bedeutung. Er war mir entglitten. Das war ziemlich sicher.
    »Und war das damals, dass du beschlossen hast, mich zu begnadigen? Damals, als du gesehen hast, wie ich mich fürchtete?«
    »Meiner Überzeugung nach hattest du einfach genug gelitten«, sagte ich.
    »Ich litt aber wirklich«, wiederholte er; es klang sehr weit weg. »Ich fürchtete mich wirklich. Weil ich glaubte, ihr alle würdet mich ausstoßen und verbannen. Ich würde nie mehr jemanden Romansch sprechen hören … oder so lachen, wie wir Roma lachen. Du verstehst, was ich meine, Yakoub? Du verstehst mich doch?«
    »Natürlich verstehe ich dich, Valerian.«
    Dann schwieg er. Er wurde immer blasser und durchsichtiger, war schon beinahe unsichtbar, ein dünner Schatten über mir. Ich war mir sicher, dass er sich von mir zurückzog. Ich hätte ihn umbringen können. Aber versucht das mal, ein Gespenst umzubringen! Der Mistkerl. Kommt da an, legt mir diese Show hin, von wegen Vergangenheit und Gegenwart und Zukunft, und schwirrt dann davon und lässt mich ohne echte Information unbefriedigt da sitzen. Ich wusste, im nächsten Moment würde er verschwunden sein, und ich war so schlau wie bei seiner Ankunft.
    Nein. Ich hatte mich getäuscht. Plötzlich nahm er wieder Festigkeit an und stieß zu mir herab, bis seine Füße beinahe den goldenen Fußboden berührten. Hellgrüne Funken sprühten um ihn. Er knisterte erneut in seiner altvertrauten Lebhaftigkeit und Energie. Wir standen uns nun direkt, sozusagen Nase an Nase gegenüber, und Valerian drängte sich ganz dicht an mich heran.
    Der abrupte Wechsel überraschte mich.
    »Und was ist mit dir, Yakoub?«, fragte er herausfordernd. »Bist jetzt du dran? Wir haben vorhin über Angst geredet, stimmt doch? Über meine Angst, als ich vor Gericht kam? Aber jetzt, jetzt bist du es, der Angst hat.«
    Er hatte mich in einem Augenblick der Instabilität erwischt, ich war verblüfft, verwirrt. Etwas summte in meinem Kopf. Valerian war zwar recht ungehobelt, aber dann wiederum konnte er auch stark empathisch sein, wenn man am wenigsten damit rechnete.
    »Angst? Wovor?«
    »Ich weiß nicht. Shandor?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Der hat mir noch nie bange gemacht, ich fürchte ihn auch jetzt nicht.«
    »Gut. Halt schön weiter die Ohren steif! Gib nicht auf!«
    Ich fühlte, wie mein Ärger über ihn blitzartig verflog.
    »Ja. Genau das muss ich, Valerian.«
    »Und trotzdem steckt die Angst immer noch in dir, oder irre ich mich?«
    Ausgerechnet in diesem Augenblick, wo ich anfing, ihn wieder gern zu haben, muss der Kerl mich erneut wegen meiner Befürchtungen anmachen.
    »Nein«, sagte ich und war jetzt noch wütender auf ihn als zuvor. »Es ist nicht so.«
    »Ich glaub aber, du fürchtest dich vor etwas. Ich sehe es in deinen Augen.«
    »Hör mal, Valerian …«
    »Ich will dir helfen.

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