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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Zigeuner. Ich lebe nur für den Tag, an dem ich meinen Fuß dorthin setzen werde, begreifst du dies, Valerian? Und wenn das Ganze nun nicht wahr ist? Wenn dort dann nichts ist? Wenn ich eines Tages herausfinde, dass das alles erstunken und erlogen ist, dass wir genau wie die Gaje unseren Ursprung auf der Erde haben, dass wir in Wirklichkeit nichts weiter sind als absonderlich aussehende Gaje, die eine drollige uralte Sprache reden, dass der Zigeunerstern weiter nichts ist als die Hirngespinste einer dichterischen Phantasie …«
    »Nein. So ist es ganz und gar nicht«, sagte Valerian. Es klang zuversichtlich.
    Ich wartete, verdutzt und schwitzend. »Nein?«
    »Die ganze Geschichte ist wahr, jedes Wort in den Swatura ist Wahrheit. Glaub es mir! Das Leben, das wir dort führten, die großen Städte, die Omina und Prophezeiungen, die Schwangere Sonne. Die sechzehn Schiffe, die in die Große Finsternis vorstießen und uns auf die Erde brachten.«
    Der da jetzt sprach, war ein anderer Valerian, war kein angeberisches Großmaul mehr. Er wirkte ruhig, ernst, sehr eindringlich. Ich erkannte den Mann kaum wieder.
    »Wie könntest du das mit Sicherheit wissen?«
    »Weil ich dort war«, sagte er. »Ich habe die versengten Berge gesehen. Ich habe die zerschmolzenen Täler gesehen. Ich hielt die Asche des Zigeunersterns in meinen Händen, Yakoub.«
    Ich stierte ihn an. Ich glaubte ihm kein Wort. Ach, er bemühte sich ja nur, mir das zu sagen, was ich seiner Überzeugung nach so verzweifelt gern hören wollte.
    »Das dürfte wohl kaum möglich gewesen sein.«
    »Wieso nicht? Der Ort existiert, oder? Ich habe ein Sternenschiff, oder? Was sollte mich also darin hindern, da mal hinzufliegen und mir die Geschichte anzusehen?«
    »Aber das ist untersagt!«, schrie ich auf. »Es ist das schwerste Sakrileg – niemand darf den Fuß auf den Zigeunerstern setzen vor der dritten Schwellung, erst wenn uns der Ruf erreicht, wenn …«
    »Yakoub«, sagte er. »Sei doch nicht naiv! Aus deinem Mund klingt das faul.«
    Er sagte es leise, beinahe zärtlich. Und er lächelte mich an. Irgendwie wirkte dieses Lächeln ein wenig beschämt, aber es hatte auch einen leisen Anflug von Herablassung.
    Mir wurde plötzlich bewusst, dass es mich am ganzen Leib schüttelte, und ich konnte das Zittern nicht unter Kontrolle bekommen.
    »Sprichst du im Ernst? Du bist wirklich und wahrhaftig dort gewesen?«
    Leise sagte Valerian: »Wann hätte ich mich jemals einen Furz um Vorschriften gekümmert, Yakoub?«
     
     
    7
     
    Er war fort, ehe mir bewusst wurde, was los war. Ich dachte, er habe vielleicht nur für einen Moment ein Fade-out aus dem sichtbaren Spektrum gemacht, aber nein, er war tatsächlich fort. Er hatte mich mit meiner Verblüffung allein gelassen.
    Taifune tobten durch meine Seele. Hurrikane, Flutwellen, Erdbeben. Ich klammerte mich mit den Fingernägeln an meine Vernunft.
    Ich hatte ihm das eine Geheimnis verraten, das ich mich vor jedermann zu wahren so heftig abgemüht hatte, das ich nicht einmal mir selbst einzugestehen wagte, das ich verdrängt hatte, seit damals an jenem Tag zum ersten Mal dieser giftige widerwärtige Gedanke mir ins Hirn gekrochen war. Das Unausdenkliche, das wahrlich Unvorstellbare: Und heute hatte ich es nicht nur gedacht, sondern es auch ausgesprochen. Und das war noch nicht alles.
    Was er mir gesagt hatte – sein persönliches kleines Geheimnis, das er mir als Gegenleistung anvertraut hatte …
    Ich war ganz benommen. Ein Flug zum Zigeunerstern? Die Landung auf dem allerheiligsten Ort, auf dem verbotenen Planeten, die Vergewaltigung der heiligen Mutterwelt? Noch ehe der Ruf zur Rückkehr an uns ergangen war? Bestürzend! Unglaublich! Niemand außer Valerian würde so etwas gewagt haben. Wie ich ihn deswegen verachtete! – und wie ich ihn beneidete! Was für eine blasphemische Leichtfertigkeit, dieses schändliche achselzuckende Übertreten der heiligsten Glaubensprinzipien der Roma! Dieser schwerste aller Gesetzesverstöße! »Der Ort existiert, oder? Ich hab ein Sternenschiff, oder?« Und mir das alles so beiläufig zu erzählen, als wäre es nichts weiter? Mir, dem König? Ich könnte ihn dafür vor den Kris bringen. Selbst hier, selbst bei meinen jetzigen Umständen als Gefangener, ein Wort von mir, und er wäre auf ewig von seinem Volk ausgestoßen. Sie würden ihn kreuzigen. Ihn niedermetzeln.
    Aber natürlich würde ich ihm nicht den Kris auf den Hals hetzen. Das wusste er genau, denn sonst hätte er bestimmt

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