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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Und das Tanzen. Sie preschen mitten durch uns hindurch, und wir wagen es nicht, auch nur die Hand wider sie zu erheben. Denn es sind Gaje-Polizisten, und wir, wir sind bloß dreckige heimatlose Zigeuner und müssen in ihrer Welt demütig sein und leise und vorsichtig. Also zerstreuen wir uns; das Fest ist zu Ende.
     
     
    7
     
    Mir bleibt keine Wahl. Wenn ich zulasse, dass ich weiter willkürlich durch die Zeit torkle, dann bin ich verloren, dann ist alles verloren. Ich irre doch nur umher. Ziellosigkeit ist gleichbedeutend mit Sinnlosigkeit. Wir sind lange genug gewandert und umhergeirrt. Jetzt ist es an der Zeit, einen Sinn zu finden. Ich muss die Steuerung, die Kontrolle über meine Reise in die Hand nehmen. Ich muss dem allem unbedingt einen Sinn geben.
    Wer bin ich? Ich bin Yakoub Nirano, König der Zigeuner.
    Wo bin ich geboren? Ich wurde auf Vietoris geboren, vor langer Zeit.
    Wo lebe ich? Überall und nirgends.
    Wohin gehe ich? Nirgendwohin und überallhin.
    Was suche ich? Die wahre Heimat für mein umherwanderndes Volk.
    Wo ist sie, diese Heimat? Überall und nirgends, nirgendwo und überall. Verlorengegangen in der Zeit. Verschwunden im Raum. Aber nicht jenseits aller Möglichkeit, sie wiederzufinden.
    Ich werde suchen. Ich glaube, ich weiß, wo ich suchen muss.
    Zurück – zurück –
     
     
    8
     
    Wieder werde ich fortgespült, aber diesmal ist es anders. Ich treibe nicht länger hilflos umher. Diesmal, spüre ich, gewinne ich allmählich bis zu einem gewissen Grad die Kontrolle über meine Reise.
     
     
    9
     
    Ich kenne das hier. Sogar durch den dichten Dunst, der über allem liegt wie ein feuchtes Bahrtuch, kann ich noch erkennen, dass der Himmel blau ist. Ich kann das strahlende Gold der Sonne sehen, ich sehe das Weiß der tausend Marmorsäulen auf dem Platz. Oh, ich bin diesmal sehr weit zurückgewandert. Doch, ja, ich kenne diesen Ort. Hier war ich schon einmal. Mehrmals. Hier ist die Erde, die Alte, Alte Erde, wie sie lang vor der geschriebenen Geschichte war; und dieser Ort hier ist das verschwundene Atlantis. Die große Stadt der Zigeuner, die allerschönste Stadt, die es jemals auf Erden gab.
    Wie heiter hier alles ist … auf unserem Inselkönigreich. Weiße Sandstrände und die blitzende See. Und wie gut wir hier gebaut haben, mit welcher eleganten Wohlgeordnetheit. Allein, von keinem behelligt, gleite ich durch die langen geraden Straßen, zwischen den schlanken dunklen Menschen in ihren weißen Gewändern und ihren sandalenbeschuhten Füßen hindurch. Am Himmelsboulevard vorbei, in die Straße der Sterngucker und über den Marmordamm zum Hafen hinunter. Die Stadt leuchtet durch den Dunst hindurch, und ich beneide die Menschen, die hier in der Realzeit in dieser Stadt leben dürfen, denn sie können sie ja unverhüllt sehen; der dichte Dunstschleier gehört nicht in ihre Zeit, er ist etwas, das ich mit mir herüberschleppe, eine Ausdünstung der Jahrtausende, durch die ich hierher kam. Es ist nicht zu vermeiden, wenn man so weit zurückreist. Doch wenn mir das verschleierte Atlantis schon als dermaßen bezaubernd erscheint, wie muss es erst für die gewesen sein, die es unverhüllt unter der hellen Sonne leuchten sahen!
    Ich bin am Hafen. Zu meiner Linken erhebt sich der Tempel der Delphine, klar und heiter, eine Symphonie in weißem Stein. Rechts ist der Brunnen der Sphären, und direkt vor mir liegt der Große Kai, an dem sechs prachtvolle Schiffe vor Anker liegen, während weiter draußen ein siebtes mit einer Ladung von Gold und Silber, von Affen und Pfauenvögeln, von kostbaren Edelsteinen, Perlen, Duftwässern und Salben, von Weihrauch, Wein und Öl und allerhand Elfenbeingefäßen und allerhand Behältnissen aus überaus kostbaren Hölzern den Hafen anläuft. Diese Welt, diese Erde und all das Gute und Schöne auf ihr gehört uns, denn nur wir sind zivilisierte Leute. Die Gaje, die überall rings um uns her leben, jenseits der Wasser des Meeres, die uns schützen vor ihnen, sind noch kaum besser als wilde Tiere, und manche von ihnen sind noch nicht einmal das. Also schreiten wir voran und nehmen uns, was wir brauchen, und unsere Schiffe führen es uns über das leuchtende blaugrüne Meer heran, und wir machen damit unsere Stadt zu einem Wunder an Schönheit.
    Hier will ich ewig bleiben, sage ich in diesem Augenblick zu mir.
    Was kümmern mich die Dunstschwaden. Was macht es schon, dass ich nur ein Gespenst bin. Ich will Bürger werden in diesem Atlantis und will hier leben bis

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