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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Für den Gajo bleibe ich unsichtbar. Ein kleinerer Junge trottet heran und klammert sich an den Arm des anderen, während er mich verstohlen anschaut. »Tu prala?«, frage ich. »Dein Bruder?« Noch immer keine Antwort. Ich komme zu dem Schluss, dass dies hier eine der abgelegeneren Gegenden der Erde sein müsse, wo die Roma eine andere Sprache als Romansch sprechen. Ich hole aus meiner Tunika zwei blitzende imperiale Goldmünzen mit den Gesichtszügen des Fünfzehnten Kaisers auf dem Avers und einem Sternenhaufen auf der Rückseite. Ich halte die Münzen den Jungen unter die Nase.
    Es sind Spukmünzen, substanzlos, ohne Gewicht. Sobald ich fortgehe, verschwinden sie wie Schnee unter der Sommersonne. Aber die Knaben starren sie ehrfürchtig an. Immerhin, was Gold ist, das wissen sie.
    »Von Galgala«, erkläre ich ihnen. »Von den Sternen. Aus der künftigen Zeit.« Und ich lege jedem eine Münze in die Hand. Sie betupfen sie, runzeln die Stirn, versuchen die Münzen zu berühren. Doch für sie sind sie nichts weiter als goldene Luft. »Ich wollte, ich könnte euch ein dauerhafteres Geschenk machen. Ich bin euer Gevatter Yakoub.«
    »Yakoub«, murmelt der kleinere Junge.
    Die Windhosen stieben wieder heran. Ich verliere an sichtbarer Gestalt. Die Jungen blicken betrübt drein, denn auch die Münzen verblassen.
    »Yakoub!«, schreit der kleinere Junge. »Yakoub!«
    »Ashen Devlesa«, sagt der ältere Junge auf einmal in klarem Romansch, während ich verschwinde. »Mögest du nicht von Gott weichen!«
     
     
    3
     
    Ohne Kontrolle wirble ich weiter. Weiter. Fast hätte ich auf einer Relais-Mitnehmerreise sein können. Ich hatte das gleiche Gefühl, ausgespannt über dem gesamten Universum zu hängen und schnell von irgendwo nach irgendwo durch eine endlose Suppe von Nirgendwo zu fliegen, ohne anderen Schutz gegen die hereinbrechende schwarze Fremdheit des Kosmos als den eines imaginären Kraftkokons, dessen Wandung nicht dicker ist als die einer Seifenblase. Und ich konnte die Richtung meines Flugs ebenso wenig beeinflussen wie die Bahnen der Sterne.
    Doch dieser Ausflug jetzt – das war freier Fall nicht nur durch den Raum, sondern auch die Zeit. Ich flog nach überall und nirgendwo. Nichts vermochte mich festzuhalten. Ich war ohne Verankerung; ein Strohhalm, den die Götter fortpusten.
    Ich musste die Kontrolle wiedergewinnen. Doch wie? Wie?
     
     
    4
     
    Unbezweifelbar Mentiroso, jetzt. Dieses Gefühl einer unerklärbaren und unausweichlichen Angst, das in den Adern siedet und in den Gedärmen rumort. Die Nähe feindseliger Götter, die ohne Anlass eine Panik zusammenbrauen. Der heiße Gestank des Entsetzens in den schweren dumpfen Luftschüben.
    Da schau an: Nikos Hasgards Synapsenloch. Die Männer, die nebeneinander in den Sielen hängen … der krampfgeschüttelte kleine Polarca, der kräftige Brocken Yakoub. Beide sehen ausgelaugt aus. Verkrümmt sind sie, sie zittern, sind bleich. Während ich zu ihnen niedergleite, bleibe ich für sie unsichtbar. Ich trete hinter sie und lege die rechte Hand auf Yakoubs Schulter, die linke auf die Polarcas. Ich will versuchen, meine Stärke auf beide zu übertragen. Ist so etwas möglich? Ein Geist, der zwei lebenden Männern hilft? Nun, ich versuch es, ich versuch's. Ich sinke tief in mich hinab und taste nach dem innersten Kern meiner Lebenskraft, und ich zapfe sie an und hole Stärke aus mir herauf und sende sie durch meine Arme in meine Fingerspitzen und versuche sie in die beiden Männer hineinzutreiben.
    Funktioniert es? Es sieht so aus, als säßen sie jetzt ein wenig gerader. Ihre Gesichter sind nicht mehr so fahl. Ja. Ja. Hier, Yakoub, hier Polarca, nehmt, nehmt, nehmt!
    Sie blicken einander an. Etwas ist ihnen geschehen, geschieht mit ihnen, doch sie haben keine Ahnung, was es ist.
    »Merkst du es auch?«, fragt Polarca.
    »Ja. Als strömte Energie aus den Apparaten in mich zurück, statt umgekehrt.«
    »Nein. Nicht aus den Apparaten. Das kommt woanders her. Das kommt vom Himmel.«
    »Vom Himmel?«, wiederholt Yakoub.
    Polarca nickt. »Aus der Luft. Aus dem Nebel. Wer weiß? Und wen stört's?«
    Ich will bei ihnen bleiben, solange ich kann. Einen Tag, eine Woche, einen Monat – für mich gilt dies alles gleich. Ich lebe außerhalb von Raum und Zeit. Und sie brauchen mich.
    Aber diese Furcht – diese Angst … Sogar Gespenster fühlen sie.
    Und ich spüre, wie es nach mir greift, wie es aus den beiden Männern potenziert in mich heraufkriecht. Die Furcht, die

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