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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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heißt, falls es hier überhaupt so etwas wie einen Sommer geben sollte. Oder – was wahrscheinlich war – sie lebten beständig so unter dem Schnee, genau wie die Würzfische so fröhlich im Eis der Gletscher lebten. Wenn ihr lange genug durch die Welten zieht, bekommt ihr alles zu sehen – und noch einiges darüber hinaus.
    Schön, es sah also so aus, als hätte ich von ihnen nichts zu befürchten, und zudem waren sie eine Abwechslung in der Eintönigkeit. Also schaltete ich meinen Projektor auf Kompaktionsstärke und begann mir, dicht am Rande des Eiswalds, selbst ein Loch zu graben, lang und tief, in schrägem Winkel. Diese Eisblase machte ich etwas geräumiger als die vorherige, und sie bekam schimmerndweiße Wände, einen wunderschön leuchtenden Boden und ein langes Fenster über eine ganze Wand hin. Ich verbrachte einen halben Tag damit, aus einer Eisplatte, die auf einem dicken Zapfen des selben nützlichen Stoffs drehbar ruhte, eine elegante Tür zu formen. An deren Innenfläche hängte ich die kleine leuchtende Vogonkugel, die zwischen mir und der Winterwelt vor meiner Tür Helligkeit und Energie und eine konstante Blase angenehmer warmer Luft gewährleisten sollte.
    Dann begab ich mich nach drinnen, schloss meine Tür und sprach das Wort, durch das die Vogonkugel aktiviert wurde. Und alles wurde hell und heiter. Hoy! Yakoub hat wieder ein Dach überm Kopf!
    Sodann machte ich mich daran, meine Siebensachen aus den verschiedenen angrenzenden Dimensionen zurückzuhieven, in denen ich sie deponiert hatte.
    Meine Schätze. Jene Dinge, durch die ich in meinem Wesen verankert bin, die mich daran gemahnen, wer ich gewesen bin und wer ich noch werden muss. Der hochflorige Teppich, zwei Yakoublängen lang und drei Yakoublängen breit, geknüpft in wundersamem Rot und Grün und Blau und Schwarz von fünfzig entmannten Sklaven eines Sultans auf der alten verlorenen Erde. Die drei dickbäuchigen breiten Bronzelampen mit den Namenszügen meiner drei Väter. Das Halsband aus byzantinischen Goldmünzen, das einst jener wundersamen Buhlerin Mona Elena gehört hatte und das ich ihr zurückerstatten wollte, falls ich ihr jemals wieder begegnete. Die Seidenrolle, meine Inthronisationsurkunde, die für mich von neun blinden Spezialisten für Eidetik-Puzzles aus Duud Shabeel zusammengesponnen worden war und die ich bei meiner Abdankung eigentlich hätte zurückgeben müssen, was ich jedoch unterließ, weil ich es nicht über mich bringen konnte, mich von etwas dermaßen raffiniert Erfindungsreichem zu trennen: Wenn man es lange genug anstiert, gewinnt man mit unumstößlicher Gewissheit die Überzeugung, dass man niemals sterben kann. Dann war da noch der Sternstein, der auf Nabomba Zom dem blutigen Maul eines Sanddrachens entrissen wurde, dort, wohin das rote Licht der Zigeunersonne wundervoll warm in die Tiefen leuchtet. Dann das Wunderrad. Der Schattenstab. Das Zepter der Roma – bareshti rovli rupui –, der Silberstab des Häuptlings mit dem achteckigen, rotbefransten Knauf, auf dem die fünf Großen Symbole eingraviert sind – hijako, chjam, shion, netchaphoro, trushul: Axt, Sonne, Mond, Stern und Kreuz. Und die Statue der Sara, der ›Schwarzen Jungfrau‹, die unsere Schutzpatronin ist. Ferner die mantilla, der Schleier, der einst der Gitana-Tänzerin La Chunga gehört hatte. Das Bündel abgenutzter, verbogener Klempnerwerkzeuge. Das abgeschabte zerlumpte Bärenfell, das letzte seiner Art im ganzen Universum. Die goldenen Kerzenleuchter. Die Tarotkarten. Die Sichel, die nach meiner Geburt in mein Badewasser getaucht wurde, um die Dämonen zu vertreiben. Das Amulett aus fossilen Seeigeln. Der liebvertraute kleine stachelige niglo, der Feld-, Wald- und Wiesenigel, den mein Volk von der Erde mitbrachte und über die Hälfte der Welten dieser Galaxis verbreiteten: eine Jadeschnitzarbeit aus dem gelbflammenden Stein von Alta Hannalanna. Und mehr, noch viel mehr, die Schätze eines langen Lebens, die Ausbeute meiner ganzen großen Irrfahrt und Wanderschaft.
    Diese Gegenstände verteilte ich in meiner Eisblase so, wie es mir angenehm war. Dann trat ich hinaus, um die sich windenden grünen Arme, die aus dem Schnee heraufragten bis dicht an meine Türschwelle, zu begrüßen, und ich rief laut meinen Namen dreimal, ich rief laut die Worte der Macht, und ich präsentierte der frostigen Luft meine Männlichkeit und ließ Wasser vor meiner Tür und pisste eine heiße gelbe Spur in den Schnee und setzte das Muster der Abwehr

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