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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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der Rolle einer femme fatale, einer großen Kurtisane und Männerfresserin; und der Himmel weiß, sie spielt diese Rolle großartig. Doch für sie ist das alles eben nur Spiel, all diese wilden Stürme der Leidenschaften. Nein, in ihr brennt etwas anderes, etwas, das niemand erkennt, etwas Unberührbares, ein Ehrgeiz, eine Sehnsucht, weit tiefer als das Bedürfnis, Männer vor ihrer Schönheit kriechen zu sehen. Alles in allem ist ihre Schönheit ja ein reines Synthetikprodukt. Es ist gut möglich, dass sie einst feist, viehisch und vulgär gewesen ist, triefäugig, mit einer Taille wie ein Fass und einem Gesicht wie trockner Schlick, ehe sie sich zu einer Göttin umstylen ließ. Vielleicht war sie sogar mal ein Mann gewesen, was weiß ich!
    »Ich habe auf die Königschaft verzichtet«, sagte ich.
    »Das weiß ich doch. Du hast abgedankt. Aber wozu musst du deinen Ruhestand ausgerechnet an solch einem Ort verbringen?«
    »Weil ich über einiges nachdenken wollte. Und das hier ist ein guter Ort zum Nachdenken.«
    »Ach, ja?«
    »Mein Verstand funktioniert gut in kalter Witterung. Und eine nackte Landschaft wie diese hier hilft mir, zum Wesentlichen vorzustoßen.«
    Ha! Das Wesentliche! Ich sehnte mich nur danach, sie zu packen und aus der Luft zu mir herabzuziehen, sie fest an mich zu pressen. Diese Brusthügel, diese Lippen … die waren die wesentlichen Dinge! Ihr Duft, der die Luft erfüllte. Mulano-Gespenster drängten sich an sie heran und waren wie besoffen von dem Energie-Output, den sie verbreitete. Ich hatte eine strohtrockene Kehle, und mir taten die Hoden weh. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, sie wäre überhaupt nicht aufgetaucht. Schließlich kannst du mit einem Gespenst nicht ins Bett steigen, auch wenn dich das Verlangen danach ganz bestimmt ganz schön quälen kann.
    »Was für wesentliche Dinge meinst du, Yakoub?«
    Ich habe bisher sämtliche meiner ehelichen Weiber überlebt. Syluise mag mich nicht heiraten. Ich will keine anderen Frauen. An ihr ist etwas Hartes und Antagonistisches, und das fasziniert mich. Aber vielleicht habe ich für ein Leben genug Frauen gehabt. Vielleicht würde ich Syluise gar nicht nehmen wollen, falls sie mich jemals akzeptieren würde. Trotzdem frage ich sie immer wieder in Abständen, ob sie mich heiraten will. Und sie lehnt stets ab.
    Ich sagte: »Das einzig Wesentliche, Syluise, ist die Zukunft des Königreichs.«
    »Aber wieso sollte dich das jetzt noch bekümmern?«
    »Ich bin noch immer König.«
    »Bist du das? Entscheide dich endlich einmal zur Präzision. Du sagst, du hast abgedankt. Du kannst nicht gleichzeitig König sein und nicht König sein.«
    »Ich gönne mir einen Urlaub vom Königsein, weiter nichts.«
    »Ach? Das ist es also? Ein Urlaub?«
    »Ja. Eine Zeit der Neubewertung. Um über die Dinge nachzudenken. Außerdem ein taktischer Zug. Ich könnte in der nächsten Minute meinen Thron wiederhaben, wenn ich es verlangte.« Sie lächelte, es war nichts weiter als ein flüchtiges Zucken ihrer makellos geformten Lippen, nichts weiter als ein unmerklicher Schimmer in diesen unvergleichlichen Augen. »Du glaubst mir nicht?«, fragte ich.
    »Ich hege nicht den geringsten Zweifel daran, dass du das glaubst.«
    »Aber du, du glaubst das nicht.«
    »Du glaubst wahrhaftig, du kannst gleichzeitig König sein und nicht König sein. Das hätte ich von Anfang an begreifen müssen. Schließlich, wenn irgendwer überhaupt begreift, wie dein Hirn funktioniert, dann bin ich es.«
    »Was soll das heißen, Syluise?«
    »Ich kannte dich, bevor du König wurdest, zur Zeit des Cesaro o Nano. Und ich erinnere mich, dass du damals immer hartnäckig betontest, dass du niemals den Thron besteigen würdest, nicht in einer Million Jahren, dass allein schon die Vorstellung davon dir Übelkeit errege, dass du ihnen das Amt vor die Füße werfen würdest, wenn sie dir je damit kommen sollten. Das hast du immer und immer wieder gesagt, und als sie dann wirklich zu dir kamen, konntest du nicht schnell genug zupacken, und dann hast du dich ganze fünfzig Jahre lang daran gekrallt. Glaubst du denn wirklich, ich nehme dir irgend etwas von dem, was du sagst, treu und gläubig ab, Yakoub? Du bist der einzige Mann, den ich kenne, der gleichzeitig sechs einander völlig widersprechende Begriffsvorstellungen vertreten kann und sich dabei auch noch absolut und bequem im Recht fühlt.«
    »Ich wollte nicht König werden. Ich habe den Thron zurückgewiesen. Immer wieder, bis ich begriff, dass

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