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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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reduzierte den Adrenalinausstoß. Manchmal besteht Weisheit aus nichts weiter als der richtigen Kontrolle der eigenen innersekretorischen Drüsen.
    »Ich hatte niemals einen Thron«, sagte ich. »Nie war ich König von irgendwo.«
    Doch Chorian hatte davon offenbar zunächst einmal die Nase voll.
    »Du warst Rom baro «, sagte der Junge. »Der Große Zigeuner. Der Spitzenmann.«
    »Nie war ich das. Auf gar keinen Fall. Die Idee schlag dir mal ganz aus dem Kopf!« Meine Hände zitterten ein wenig, und ich wollte nicht, dass Chorian dies bemerke. Um ihn abzulenken, fuchtelte ich mit den Armen und deutete und rief: »Schau mal, dort, siehst du, wie der Fisch das Netz beschnüffelt?«
    Ein zweiter türkisblauer Fisch, der aber nicht ganz so welterfahren war wie der erste. Ich widmete ihm meine ganze Aufmerksamkeit. Das war eine bequeme Methode, das Thema zu wechseln, bis ich Zeit gehabt hatte, die Dinge im Kopf ein wenig zu klären.
    Beinahe glaubte ich das zarte Fleisch des Würzfischs schon auf der Zunge zu spüren: Rosmarin, Kurkuma, Kumim, Cayennepfeffer. Ich ließ das Netz vor dem Fisch tanzen, ließ es vor ihm auf ihn zuschwirren, zog es zurück; ich wollte ihn so weit bringen, dass er geradezu darum bettelte, gefangen zu werden. Seine lange Schnauze zuckte, während er im Zickzack umherschwamm. Wundervoll gewandt schwamm er durch die kristallene Tiefe und zerschnitt das Eis, als wäre es gar nicht vorhanden.
    Komm, mein Schöner! Komm schon, du Aas! Komm und gleite ganz brav genau da rein!
    »Was ist das für eine Krise, von der du geredet hast?«, meinte ich vorsichtig.
    »Dass wir keinen König haben. Dass planlos Erkundungsschiffe losgeschickt werden. Dass Streitfälle entstehen und keiner da ist, der sie schlichtet.«
    Ich starrte in die Tiefe zu meinem Fisch hinab, als könnte ich ihn einzig durch meine Willenskraft ins Netz locken.
    »Es gibt Methoden, mit solchen Sachen auch ohne einen König fertigzuwerden«, sagte ich.
    »So war es auch. Fünf Jahre lang. Aber inzwischen ist die Lage schwieriger geworden und angespannt. Damiano hat mir aufgetragen, ich soll dir sagen, dass der Hohe Rat der Roma jetzt einen neuen König wählen will. Sie wollen nicht mehr länger auf dich warten, nicht einmal jene, die nie wirklich geglaubt haben, dass es dir mit der Abdankung ernst war. Wenn du aber bestimmt nicht zurückkommen willst, so wollen sie sich jetzt daran machen und an deiner Stelle einen anderen wählen.«
    Aha. So war das also!
    Das war darauf abgezielt, mich so richtig fest an den Haken zu kriegen, diese gelassene Erklärung des Jungen da. Druck verband sich mit Sticheln; Sunteil war nicht der einzige, der sich zusammengereimt hatte, was mein wahrer Plan sei; jetzt konterten meine Vettern im Reich der Roma meinen Bluff ihrerseits mit einem eigenen. Und dies war die eigentliche, die wahre Botschaft, mit der Chorian zu mir gekommen war. Er mochte zwar im Sold von Sunteil stehen, aber Damiano war der Herr, dem er wirklich diente. Und das hieß, er diente den Roma; und damit hatte die Sache ihre Richtigkeit. Sunteil wollte Informationen haben, gewiss. Aber Damiano wollte mich zur Rückkehr bewegen. Und dies war eben seine Methode, mich herumzukriegen.
    Aber immer noch nicht erlaubte ich mir, nach dem Köder zu schnappen. Ich konnte nicht, nicht jetzt. Jetzt noch nicht.
    »Sie brauchen einen König? Na schön, dann sollen sie sich einen suchen.«
    »Aber der König bist du! «
    »Hast du mich beim ersten Mal nicht richtig verstanden? Wie können sie jemanden an meiner Statt erwählen, wenn ich doch nie eine Statt noch Stätte hatte?«
    »Aber das stimmt doch nicht! Wie kannst du sagen, du warst nicht König, wo du doch der König warst? Wo du doch der König bist? «
    Er war verwirrt. Recht so! Ich hatte mir beträchtliche Mühe gegeben, ihn durcheinander zu bringen. Ich lachte. Ich überließ ihn seinem Rätsel und wandte mich wieder dem Fischen zu. Rasch und geschickt schloss ich die Reusenöffnung und hievte das Netz zum Gletscherrücken herauf. Der türkisblaue Würzfisch schnellte und sprang und zuckte. Ich hatte ihn. Ich holte das Netz herauf, bis es durch die Gletscherhaut brach, und ich hievte es höher hinauf, bis an die zwanzig Meter in die Luft. Die orangerote Sonne stand hoch im Osten, und über das gefrorene Land kroch eine Spur scharlachroten Feuers wie ein Fluss aus geschmolzenem Gold. Mein Fisch wechselte in diesem funkelnden Licht tausendmal die Farben und schrie aus jedem Eckchen des Spektrums

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