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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Gespenster sind Lebensformen, deren Evolution zufällig zur Fleisch- und Körperlosigkeit führte; es gibt hier Milliarden von ihnen, und sie sind überall und glühen dir mitten in der Luft entgegen wie Minilaternen, freundliche Nachbarn, aber wenig befriedigend als Gesprächspartner. Von ihnen hat der Ort hier den Namen erhalten. Mulo, Gespenst, ein prächtiges Wort aus dem Romansch; Mulano, Ort der Gespenster. Ein Rom taufte diese Welt mit diesem Namen – wegen all der Gespenster, die hier hausen. Aber seitdem ich mich auf Mulano niedergelassen habe, kamen hier ganz schön viele Gespenster der vertrauteren Sorte zu Besuch, Vettern und Kusinen von mir, die über die Leere des Raums und die Abgründe der Zeit hinweg an diesen Ort der Eisesstarre eingeflogen kamen, um mir Gesellschaft zu leisten: Polarca, Valerian, manchmal auch Thivt, und der ist auch mein Vetter, obwohl er kein Rom ist; und viele andere Gespenster – von Zeit zu Zeit. Es ist vorläufig noch unwichtig, dass ihr, die ihr das lest, wisst, wer sie sind. Alte Freunde, die mich besuchen kommen, das genügt. Dutzendemal spürte ich an manchen Tagen das elektrische Knistern ihrer Aurae in der Luft, und ihr flüsterndes Lachen wehte mich an, und, ich wusste dann, dass Wesen, die mir eng vertraut und teuer sind, in meiner Nähe waren. Auch jetzt wieder konnte ich ihre Gegenwart spüren. Und sie lachten jetzt. Also waren es Gespenster aus der Sippe. Denn die anderen, die lachten nicht.
    Und ich wusste, warum sie lachten.
    »Lasst euch bloß nicht ihr auch noch einfallen, mich nicht ernstzunehmen«, befahl ich ihnen.
     
     
    5
     
    Ich hängte meinen Fisch in eine Gravity-Kugel zum Garen, in der die Säfte rundum kreisen und rotieren und alle Seiten gleichmäßig beträufeln. Ein paar Mulanogespenster, die sich von den elektromagnetischen Spannungen des Kochprozesses angezogen fühlten, kamen schnüffelnd näher, wohl um zu sehen, ob da irgend etwas Essbares für sie abfallen werde. Sie hatten es nicht auf meinen Fisch abgesehen, sondern gierten ausschließlich nach den fischduftenden Infrarotwellen, die von ihm ausstrahlten. Ihr müsst nämlich wissen, dass man über die ganze Spektralbreite hin der Energie Geschmack und Duft verleihen kann, einfach indem man etwas Interessantes in ihr köchelt. Möglich, dass ihr das ja nicht merkt und nicht herausschmecken könnt, aber fragt doch einfach mal ein Gespenst von Mulano.
    Während der Fisch garte, begann die Gelbe Sonne in den Westhimmel heraufzukriechen: der Doppeltag begann. Hinter den Bergen setzten die üblichen Nordlichter, wie sich das für ein Doppel-Tag-Morgengrauen gehört, mit ihren wilden Sprungübungen ein, und die Gespenster verloren augenblicklich alles Interesse an meinem Fisch: dort draußen wartete viel besseres Futter auf sie. Chorian stierte ungläubig die erstaunlichen Lichterschauspiele an.
    »Was ist da los?«, stammelte er.
    »Oh, das. Das haben wir jeden Tag um diese Zeit. Geh und schau es dir an!«
    »Könnte ich dir nicht lieber irgendwie hier helfen?«
    »Du gehst und schaust es dir an!«, sagte ich. »Sowas bekommst du auf keiner Welt im Reich geboten.«
    Er ging hinaus. Ich koche wahnsinnig gern, aber ich hasse es, wenn ich dabei Zuschauer habe. Bei anderen Dingen stören sie mich nicht, aber es ist abscheulich, wenn ich dabei bin, eine Mahlzeit zusammenzustellen. Kochen, das ist wie ein Liebesakt, wenn es gut werden soll, sind Zuschauer ausgesprochen störend. Jedenfalls, ich hantierte geschickt und routiniert weiter in meiner Eisblase herum, rief die Dinge für das Dinner herauf, eine Karaffe gutchambrierten Marajo-Weines und eine dicke Traube der schimmernden schwarzen Iriarte-Weinbeeren, eine Platte voll Galgala-Äusterchen – alles aus den verschiedenen Dimensionstaschen, in denen ich derlei Köstlichkeiten aufbewahre. Nachdem ich alles schön vorbereitet hatte, steckte ich den Kopf aus der Eisblase und rief den Jungen. Knallbunte verschlungene Leichenbandagen flatterten wie gewaltige elektrische Banner in der Höhe, und die weiten Eisfelder brannten in millionenfachen, sich beständig unmerklich verschiebenden Nuancen von Aquamarin und Smaragd und Jade, Rubin und Burgunderrot und Scharlachrot, Zitronengelb und Kobaltblau, Amethyst, Magenta und Gold.
    Die Lichter schlugen alle zugleich auf mich nieder, und ich fühlte, wie aus der Vergangenheit ein Sturzbach von Gespenster-Energie auf mich einstürmte und über mich hinwegdonnerte wie eine Lawine.
    Seit meiner Ankunft auf

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