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Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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genauso. Die Trendsetter … sie lieben das Neue. Glanz und Flitter. Die Maschine müßte sich gut verkaufen lassen, wenn sie erst einmal in die Produktion kommt. Serienmäßig, meine ich.« Sein Tonfall schwankte zwischen Resignation und Trotz. Ermutigend nickte ich ihm zu, während mir eine Reihe erlesener Beschimpfungen durch den Kopf gingen: Profitgeier, elender Vivisektionist und so weiter …
    Die Idee selbst stand auf soliden Füßen. Jedes Gerät mit der anmutigen Eleganz dieser Flugmaschine mußte in unserer heutigen Freizeitgesellschaft Anklang finden. Doch zuerst war es erforderlich, den Apparat gründlich durchzustylen und mittels einer klugen Werbekampagne auf den Markt zu bringen. Und Somps, der mir wie ein Fachidiot vorkam, schien mir nicht der richtige Mann für diese Aufgabe zu sein.
    An der Art und Weise, wie er über den Flugmechanismus sprach, erkannte man, daß er sein ein und alles war. Stundenlang hatte er auf diesem Plateau herumgewerkelt, sich mit Schaltungen und Drähten beschäftigt, während sich seine Verlobte halb zu Tode grämte.
    Eine solche Hingabe an ein technisches Werk hätte in den Tagen der Dampfmaschine Anerkennung gefunden. Doch die heutige humanere Ära rückte Somps' Verhalten an die Grenze zum Kriminellen. Dieser Langweiler, der mit dem Kopf in den Wolken steckte, benutzte meine arme Leona dazu, sich die finanziellen Mittel für seine im Prinzip sinnlosen intellektuellen Experimente zu verschaffen.
    Meine Begegnung mit den beiden Ex-Kosmonauten versorgte mich mit reichlich Stoff zum Nachdenken. Mit höflichen Komplimenten verabschiedete ich mich und mietete mir einen der ortsüblichen Hängegleiter. Um mich mit der Maschine vertraut zu machen, umkreiste ich ein paarmal den Thron des Adonis, dann flog ich hinüber zum Kuppelbau.
    Die Wirkung war berauschend. Ich fühlte mich wie verzaubert. Sicher geborgen im starken und doch elastischen Gerüst der Maschine, die majestätisch und souverän dahinglitt, kam ich mir vor wie ein Erzengel. Dennoch ertappte ich mich bei der Vorstellung, welches Gefühl es wohl wäre, ohne die schützende Computersteuerung zu fliegen.
    Man würde aus allen Poren schwitzen, sich der nackten Gefahr bewußt sein, Adrenalin durch die Adern pumpen; und die dämmrigen Schluchten tief unten wären nicht länger ein ehrfurchtgebietendes Panorama, sondern ein tödlicher Abgrund.
    Ich gestehe, ich war froh, als ich die Maschine selbstgesteuert zur Mesa zurückschicken konnte.
    Im Haus speiste ich dann zu Abend, wobei ich entschieden die Gerichte aus stinkendem versengten Fleisch zurückwies, an denen sich die älteren der Gäste delektierten. (›Barbecue‹ nannten sie diese eklige Barbarei. In meinen Augen ist es glatter Mord.) Ich saß an einer langen Tafel zusammen mit Claire Berger, Percival Darrow und einigen anderen von Leonas Freunden, die von der Westküste her angereist waren. Mari trat nicht in Erscheinung.
    Leona kam später hinzu, als die Maschinen die Tische bereits abgeräumt hatten und die jüngeren Gäste sich um das Kaminfeuer versammelten. Leona und ich taten so, als gingen wir einander aus dem Weg, heimlich tauschten wir jedoch verstohlene Blicke. Das weiche Dämmerlicht und die grandiose Landschaft trugen dazu bei, daß das Gespräch sich bald um die beiden Pole der heutigen Existenz drehten: das Schöne und das Erhabene. Wir stellten Listen auf: Das Land ist schön, das Meer ist erhaben; der Tag ist schön, die Nacht ist erhaben; das Handwerk ist schön, die Kunst ist erhaben … und so weiter.
    Die Behauptung, das Männliche sei schön, während das Weibliche erhaben sei, löste eine hitzige Diskussion aus. Während der Streit voll im Gange war, streiften Darrow und ich unsere Codeschlüssel von den Handgelenken und ließen sie im Gemeinschaftszimmer liegen. Jemand, der uns ausfindig machen wollte, mußte annehmen, wir befänden uns dort, während wir in Wirklichkeit pläneschmiedend zwischen den Maschinen in der Küche steckten.
    Darrow erläuterte mir sein Vorhaben. Er wollte Solokov der Feigheit bezichtigen und seinen Rivalen ausstechen, indem er selbst einen Probeflug mit der Libelle riskierte. Notfalls scheute er nicht davor zurück, den Apparat zu stehlen. Solokovs Leistung bestand lediglich darin, daß er ein paarmal mühevoll über den Tafelberg gekreist war. Darrow hingegen plante, sich hoch in die Lüfte zu schwingen und die Maschine seinem Willen unterzuordnen.
    »Mir scheint, Sie sind sich der Gefahren nicht voll bewußt«,

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