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Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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warnte ich ihn.
    »Ich fliege seit meiner Kindheit«, höhnte er. »Sagen Sie jetzt bloß nicht, Sie fürchten sich auch.«
    »Die Maschinen, die Sie bis jetzt geflogen haben, waren computergesteuert«, hielt ich ihm entgegen. »Aber die Libelle ist sozusagen blind. Der Versuch könnte Sie das Leben kosten.«
    »Draußen auf Big Sur pflegten wir sie zu manipulieren«, erwiderte er. »Wir schalteten den Autopiloten ab. Es ist ganz einfach, wenn man weiß, an welcher Stelle der Hauptsensor liegt. Es verstößt gegen das Gesetz, aber ich hab's trotzdem getan. Ihnen kann das Ganze doch nur recht sein. Wenn ich mir das Genick breche, steht Somps wie ein Krimineller da, oder etwa nicht? Seinen guten Ruf wäre er ein für allemal los.«
    »Das ist eine Frechheit«, tadelte ich ihn, doch ich konnte mir ein Lächeln der Bewunderung nicht verkneifen. Zuweilen reagiere ich genauso heißblütig wie Darrow, und wenn ich den Plan auch nicht billigen konnte, so nötigte mir die Idee jedoch Hochachtung ab.
    »Ich tu's auf jeden Fall«, beharrte Darrow. »Seien Sie meinetwegen unbesorgt. Sie sind nicht mein Aufpasser, und die Entscheidung liegt allein bei mir.«
    Ich dachte nach. Mir war klar, daß ich es nicht schaffen würde, ihm seinen Plan auszureden. Ich hätte ihn verraten können, doch ein Vertrauensbruch ist völlig unter meinem Niveau. »Na schön«, sagte ich, während ich ihm auf die Schulter klopfte. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
    Unser Projekt machte rasche Fortschritte. Als alles besprochen war, kehrten wir zu den anderen Gästen zurück, nahmen unsere Plätze beim Kamin wieder ein und befestigten diskret die Codeschlüssel an den Handgelenken. Zu meinem Entzücken stellte ich fest, daß Leona eine private Mitteilung in meinen Schlüssel eingegeben hatte. Sie bat um ein mitternächtliches Rendezvous.
    Nachdem sich die Gesellschaft zerstreut hatte, wartete ich in meinem Zimmer auf sie. Endlich sah ich den heißersehnten Schein einer Lampe im Korridor auftauchen. Geräuschlos öffnete ich die Tür.
    Sie trug ein langes Nachthemd, das sie anbehielt, doch sonst versagten wir uns nichts, außer der endgültigen Befriedigung. Als sie mich eine Stunde später verließ, nachdem sie mir noch ein paar Zärtlichkeiten ins Ohr geflüstert hatte, summten und vibrierten mir die Nerven wie Synthesizer.
    Ich zwang mich dazu, zwei Pillen zu schlucken, und wartete darauf, daß der Schmerz in meinen Lenden abflaute. Stundenlang lag ich wach und starrte gegen die Decke aus Zedernbalken. Ich träumte davon, Tage, Wochen, Jahre mit dieser bezaubernden Frau zu verbringen.
     
    Darrow und ich standen am nächsten Morgen früh auf. Schlafmangel und durch die carezza bewirkte Adrenalinausstöße machten mich aggressiv und reizbar. Wir lauerten dem arglosen Solokov auf, der sein morgendliches Joggingpensum absolvierte.
    Wir fingen ihn ab, als er ins Haus gehen wollte, um eine dringend notwendige Dusche zu nehmen. Ich sprach ihn an, indem ich ihm von meinem Flug mit dem Hängegleiter vorschwärmte. Wie zufällig näherte sich Darrow und machte ein paar bissige Bemerkungen, die sich auf die Libelle bezogen.
    Anfangs blieb Solokov höflich und versuchte Streit zu vermeiden. Doch meine laut vorgetragenen scheinheiligen Fragen trieben den armen Fred in die Enge. Er bemühte sich krampfhaft, die Gründe für Somps' vorsichtiges Testprogramm zu erläutern.
    Doch als er gezwungenermaßen zugeben mußte, daß er sich mit der Libelle nie länger als zwanzig Sekunden in der Luft befunden hatte, kicherten die Zuhörer, die sich nun um uns scharten.
    Mit der Ankunft von Krokodil Nr. 1 brach eine gewisse Hektik aus. Ich hatte erfahren, daß dieser schrullige Alte Craig Deakin hieß und Doktor der Medizin war. Er hatte Dr. Hillis behandelt! Kein Wunder, daß Leonas Vater mit einem Bein im Grab stand!
    Offen gestanden, hatte ich immer eine Todesangst vor Ärzten. Als ich das letzte Mal von einem richtigen menschlichen Arzt berührt wurde, war ich noch ein Kind, doch ich kann mich noch gut an die tastenden Finger und kalten Augen erinnern. Stell Dir vor, mein lieber MacLuhan – seine Gesundheit, ja sein Leben in die Hände eines fehlbaren Menschen zu geben, der betrunken sein könnte, vergeßlich oder gar bestechlich! Gott sei Dank ist diese Berufssparte seit dem Aufkommen der medizinischen Autosysteme so gut wie ausgestorben.
    Deakin gesellte sich zu uns, indem er an Darrow eine ätzende Bemerkung richtete. Mittlerweile war mein Blut in Wallung, und ich verlor

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