Zikadenkönigin
Witz und nichts weiter beruhen.
Doch die wahre, die erhabene Liebe stellt sich dann ein, wenn sich das dunkle Yin der Seele freimütig dem Blick des Partners offenbart; Eitelkeiten und Unsicherheiten zu erkennen gibt, jene Kanten und Spalten enthüllt, die den Keim zu künftigem Schmerz in sich bergen.
»Unsinn«, entgegnete ich mit sanfter Stimme. »Selbst die beste Kunst ist nur ein Symptom für Seelentiefe. Und die reinste Kunst ist die stumme Bewunderung von Schönheit. Später kommt dann eine gewisse Berechnung hinzu, die die Blüte welken läßt, und an ihre Stelle tritt der äußere Schein, die Maske des Kultivierten. Doch ich schmeichle mir, daß ich den Dingen auf den Grund sehe.«
Danach ging alles sehr rasch. Die folgenden körperlichen Intimitäten waren bloße Begleiterscheinungen unseres seelischen Zustands. Indem wir nur wenige, bestimmte Kleidungsstücke ablegten, übten wir uns im herrlichen Spiel der carezza, jener Form der Umarmung, die Körper und Geist erregt, ohne gleich alles durch eine volle Befriedigung zu verderben.
Doch bei unserem Fest der Liebe belästigte uns ein Gespenst: Dr. Somps. Leona bestand darauf, unsere Liaison geheimzuhalten; deshalb riß ich mich von ihr los, ehe uns andere mit ihren Codeschlüsseln aufspüren und unliebsame Schlüsse ziehen konnten.
Als Verehrer war ich gekommen, als ihr Liebhaber verließ ich sie. Nichts sollte Leonas Glück stören. Sobald ich mich wieder auf dem Fußpfad befand, aktivierte ich meinen Codeschlüssel. Noch immer weilte Dr. Somps auf der Mesa, dem Tafelberg westlich der Wohnkuppel.
Ich lenkte meine Schritte in diese Richtung, doch noch ehe ich eine Meile weit gegangen war, hatte ich ein unverhofftes sonderbares Erlebnis. Hoch über meinem Kopf ertönte das laute Sirren künstlicher Flügel.
Nachdem ich meinen Schlüssel befragt hatte, blickte ich nach oben. Mari Kuniyoshis derzeitiger Begleiter, der angehende Schauspieler Percival Darrow, kam auf einem Hängegleiter angeflogen. Kybernetisch gesteuert, schwebte die Maschine längs der steilen gebänderten Felswand hinunter. Darrow vollführte eine Drehung, wobei er gewaltige Luftwirbel erzeugte; dann landete er mit sportlichem Sprung vor mir auf dem Pfad. In abwartender Haltung blieb er stehen.
Als ich ihn erreichte, hatte sich der Gleiter bereits selbsttätig zusammengefaltet und schmiegte sich ihm nun als ordentliches orangefarbenes Bündel an den Rücken. Mit der gespielten Lässigkeit eines Teenagers lehnte Darrow am sonnenerwärmten Felsen. Er trug eine hautenge Fliegermontur aus einem cremefarbenen glänzenden Stoff. Die elastischen Ärmel hatte er über die Ellbogen hochgezogen, so daß seine muskelbepackten Arme sichtbar wurden. Die Augen versteckte er hinter einer rosagetönten Fliegerbrille.
Ich grüßte höflich. »Guten Tag, Mister Darrow. Kommen Sie gerade vom Flugplatz?«
»Keineswegs.« Ein höhnisches Lächeln verunstaltete ihm die ansonsten ebenmäßigen Züge. »Ich flog bereits vor einer halben Stunde über Sie hinweg. Sie beide haben aber nichts bemerkt.«
»Na so was«, entgegnete ich kühl und ging weiter. Er eilte mir hinterher.
»Wohin gehen Sie?«
»Zum Flugplatz. Ich wüßte jedoch nicht, was Sie das angeht«, bemerkte ich.
»Solokov und Somps sind dort droben.« Plötzlich blickte er verzweifelt drein. »Hören Sie, es tut mir leid, daß ich vorhin erwähnte, ich hätte Sie und Miss Hillis beobachtet. Das war schlechter Stil. Aber wir haben beide einen Rivalen, Mister de Kooning. Und jetzt sind sie zusammen. Ich finde, wir zwei sollten zu einem Einverständnis kommen, meinen Sie nicht auch?«
Ich ging langsamer. Ich trug besseres Schuhwerk als er. Darrow verzog das Gesicht, während er in seinen hauchdünnen Flugslippern über das schrundige Gestein balancierte. »Was genau wollen Sie von mir, Mister Darrow?«
Er schwieg, und langsam kroch ihm die Röte in die gebräunten Wangen. »Von Ihnen will ich gar nichts«, entgegnete er nach einer Weile. »Von Mari Kuniyoshi alles.«
Ich räusperte mich.
»Behalten Sie Ihre Antwort für sich«, wehrte er mit erhobener Hand ab. »Ich weiß, was Sie sagen wollen. Mindestens ein dutzendmal hat man mich vor ihr gewarnt. Sie halten mich für einen Dummkopf. Wahrscheinlich haben Sie recht. Aber mit offenen Augen habe ich diese Liaison begonnen, und ich denke nicht daran, tatenlos zuzuschauen, wie ein anderer mein Glück zunichte macht.«
Ich wußte, daß ich unüberlegt handelte, wenn ich mich mit Darrow
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