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Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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nachzuhallen, bis alle ihre Bedeutung begriffen. Yoshitoshi war erst vor kurzem wieder gesund geworden, doch seine Genesung betraf nicht etwa ein körperliches Leiden. Niemand gab auch nur einen Ton von sich, und doch wurde allen die Wahrheit klar. Nach einer Weile räusperte sich Onogawa. »Natürlich ist es schwer, die Mimik von Ausländern richtig zu deuten.«
    Yoshitoshi befeuchtete sich die dicken Lippen, und der Schatten, der seine Züge verdunkelte, verflüchtigte sich wieder.
    »Nun«, sagte er ruhig, »meine Freunde von der Liberalen Partei haben mir alles erzählt. Einige von ihnen waren in Amerika und beherrschen die Sprache der Ausländer, können sie sogar lesen. Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, Herr Onogawa, so sollten Sie ihre überregionale Zeitung lesen, die Lamp of Liberty, für die ich als Illustrator tätig bin.«
    Onogawa bedachte Encho mit einem kurzen Blick. Er war nicht sonderlich belesen und hatte nur vage Vorstellungen davon, was eine ›liberale Partei‹ oder eine ›überregionale Zeitung‹ sein mochte. Er fragte sich, ob Encho darüber Bescheid wußte. Offenbar war das der Fall, denn der Komiker machte ein ernstes Gesicht.
    Yoshitoshi fuhr fort: »Einer meiner politischen Freunde gab mir die Flasche, die er in Yokohama von Amerikanern kaufte. Die Amerikaner haben dort viele solcher Flaschen – ein ganzes Lager ist voll davon. Sie legten deshalb einen Vorrat an, weil im nächsten Jahre der amerikanische Shogun, Generalissmo Guranto, eintreffen wird, um unserem Kaiser zu huldigen. Und Guranto – man nennt ihn auch ›Puresidento‹ – möchte nirgends auf sein Lieblingsgetränk verzichten, auf den sogenannten Borubona, den man in der amerikanischen Präfektur Kentakki herstellt.«
    Yoshitoshi zog den Korken aus der Flasche und füllte die drei Sake-Becher. »Sollten wir die Flüssigkeit nicht erst erwärmen?« fragte Encho.
    »Dies ist kein Reiswein, mein Freund. Manchmal geben die Ausländer sogar Eis hinzu!«
    Onogawa nahm einen vorsichtigen Schluck und keuchte. »Meine Güte, ist das stark! Das Zeug brennt wie chinesischer Pfeffer.« Er zögerte. »Aber es schmeckt nicht schlecht.«
    »Es schmeckt sogar ganz hervorragend!« entfuhr es Encho überrascht. »Wenn man Sake mit einer alten Öllaterne vergleicht, dann ist dieser Borubona wie eine der neuen Gaslampen – heiß und feurig.« Er leerte seinen Becher. »Wie schade, daß kein hübsches Mädchen zugegen ist, um uns die nächste Runde zu servieren.«
    Darum kümmerte sich Yoshitoshi: Er griff nach der Flasche und schenkte nach. »Was die hübsche junge Frau angeht …«, sagte Onogawa. »Sie müßte ebenfalls heiß und feurig sein, so temperamentvoll wie eine Tigerin.«
    Encho hob die Augenbrauen. »Du überraschst mich. Ich dachte, du seiest ein zufriedener Familienvater.«
    Der Bourbon schien Onogawa die Zunge zu lockern, und er grinste und erwiderte! »Oh, ich glaube, inzwischen könnte man mich durchaus als gesetzt bezeichnen. Aber wenn du mich vor zehn Jahren kennengelernt hättest, vor der Restauration … Damals war ich ziemlich wild, ebenso radikal wie die anderen. Weißt du, wir dachten wirklich, die Welt verändern zu können. Und vielleicht haben wir tatsächlich dazu beigetragen.«
    Encho lächelte amüsiert. »Aha! Du gehörtest also zu den Shishi?«
    Onogawa nahm einen weiteren Schluck. »Und ob!« Er hielt die Hand auf den Rücken. »So lang war mein Haar, und ich wusch mich nie! Und nicht ein einziges Mal habe ich Geld genommen! Wir wären lieber gestorben! Nein, wir hausten in Hütten und Ställen, und wir ernährten uns von braunem Reis, den wir aus hölzernen Näpfen aßen. Ja, wir besuchten die Kendo-Schule, übten uns im Umgang mit dem Schwert und überlegten, welchen alten Narren wir demnächst umzubringen versuchen sollten …« Schwermütig schüttelte Onogawa den Kopf. Die beiden anderen Männer hörten ihm aufmerksam zu.
    Der Bourbon und die Erinnerungen an die alte Zeit schienen Onogawa langsam in Fahrt zu bringen, und die verlorenen Ideale der Restauration erfüllten ihn mit Kummer. »Ich war das schwarze Schaf meiner Familie«, fuhr er fort. »Ich verließ meinen Clan, mein Daimyo. Wißt ihr, wir Shishi-Radikalen glaubten nur an unsere Schwerter und den Kaiser. Sonno joi! Entsinnt ihr euch an diesen Ausspruch?« Onogawa lächelte schief, und er spürte nicht die Tränen des Mono, die ihm der pathetische Stolz auf seine Vergangenheit in die Augen trieb.
    »Sonno joi! Diesen Ruf konnte man

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