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Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Ihrer Bilder, damals, vor zehn Jahren – bevor die Restauration begann.« Er lächelte verträumt. »Zu meiner Sammlung gehörten natürlich die Achtundzwanzig Morde. Und einige der Hundert Gespenstergeschichten. Ja, ich entsinne mich jetzt daran, daß ich mehrere Sonderausgaben hatte. Zum Beispiel Tamigoro, der sich mit seinem Gewehr in den Kopf schoß. Bei jenem Bild waren die Muster aus Blutspritzern besonders gelungen.«
    »Oh, ich erinnere mich daran«, warf Encho ein. »Damals wurde die rote Tinte, die das Blut darstellen sollte, noch mit Katzengoldpulver gemischt. Um ein besonderes Schimmern zu bewirken.«
    »Heute ist das zu teuer«, sagte Yoshitoshi niedergeschlagen.
    Encho zuckte die Achseln und sah Onogawa an. »Kennst du auch das Bild Maosuke Gombero ermordet seinen Herrn ? Der irre Diener hockt auf der Brust des Adligen und zerfetzt ihm mit den Fingernägeln das Gesicht …« Mit entsprechenden Geräuschen beschrieb der Komiker das Gebaren des Mörders.
    »O ja!« entgegnete Onogawa. »Ich besaß eine Kopie davon – was wohl daraus geworden ist?« Betrübt schüttelte er den Kopf. »Nun, angesichts meines Alters und meiner Stellung konnte ich solche Dinge nicht im Haus behalten. Die Kinder hätten Alpträume bekommen. Und möglicherweise kämen die Bediensteten auf die Idee, dem Beispiel nachzueifern.« Er lachte.
    Inzwischen hatte Encho die kurze Pfeife gestopft, und er beugte sich zu einer Öllampe vor, um sie anzuzünden. Onogawa griff in seinen Ärmel und zog seine eigene Pfeife hervor, die wesentlich länger war und eiserne Beschläge aufwies. »Das Ding ist hin«, brachte er hervor und starrte auf das verbogene Mundstück. »Sieh nur! Meine beste Pfeife, zerstört während der Schlägerei mit den Halunken!«
    »Ach, das ist also eine Pfeife?« erwiderte Encho. »Du hast damit so auf die Angreifer eingeschlagen, daß ich dachte, es sei eine Keule.«
    »Selbstverständlich begebe ich mich nicht in die Untere Stadt, ohne irgendeine Art von Waffe bei mir zu tragen«, hielt ihm Onogawa empört entgegen. »Und da die neue Regierung das Tragen von Schwertern verboten hat, mußte ich mir irgend etwas einfallen lassen. Als Waffe taugt eine Pfeife nicht viel, aber wie du gesehen hast, ist sie besser als gar nichts.«
    »Ich wollte dir nicht zu nahe treten«, sagte Encho rasch. »Schließlich sind wir Freunde, und Freunde beleidigen sich nicht! Verzeih mir bitte, wenn meine Worte ironisch geklungen haben, aber schließlich verdiene ich mir gerade damit meinen Lebensunterhalt! Nun, wir sollten einen guten Tropfen trinken und uns entspannen …«
    Die Aufmerksamkeit Yoshitoshis hatte die ganze Zeit über dem unvollständigen Bild auf seinem Arbeitstisch gegolten. Er starrte noch einige weitere Sekunden darauf, zwinkerte schließlich und wandte den Kopf. »Ein guter Tropfen! Oh!« Er richtete sich auf. »Da fällt mir ein: Ich habe da etwas ganz Besonderes, bestens geeignet für Leute wie euch. Eine Flasche, die aus Yokohama stammt, von der ausländischen Handelszone.« Rasch kroch Yoshitoshi über den Boden, die Knie vom Stoff der langen Tunika geschützt. Er öffnete eine hölzerne Kiste und entnahm ihr eine Flasche, die in ein Tuch gehüllt war. Dann griff er nach drei Sake-Bechern und kehrte zu seinen Gästen zurück.
    Die fehlerlose Symmetrie der Flasche deutete auf eine ausländische Produktion hin. Sie war mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit gefüllt und mit einem Korken verschlossen. Das aus Papier bestehende Etikett zeigte das auf geradezu groteske Weise bärtige Gesicht eines Amerikaners. Die fremdartigen Buchstaben blieben für Encho und Onogawa ohne Sinn.
    »Wer ist das?« fragte Onogawa verwundert. »Ihr König?«
    »Nein, das Gesicht des Händlers, der das Zeug herstellte«, behauptete Yoshitoshi im Brustton der Überzeugung. »In Amerika genießen solche Händler einen ausgezeichneten Ruf. Dort kann jemand, der der Händlergilde angehört, sogar Soldat werden. Oder Bauer oder Priester – was er will.«
    »Hmm«, machte Onogawa, der einen ähnlichen Werdegang hinter sich hatte und keineswegs angenehme Vorstellungen damit verband. »Darf ich mal sehen?« Er betrachtete alle Einzelheiten des Etiketts. »Dem Fremden scheinen die Augen aus den Höhlen zu treten. Er sieht aus wie ein Irrer kurz vor einem Wutanfall.«
    Als er diese Worte vernahm, versteifte sich Yoshithoshi ein wenig, und eine Zeitlang herrschte betretenes Schweigen. Onogawas peinliche Bemerkung schien in dem Raum so lange

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