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Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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gehen?«
    »Wer weiß schon, was sie will.« Der Koordinator schien erschöpft. »Ich habe siebzig Jahre unter ihren Launen und Erniedrigungen gelitten. Ich weiß nicht mehr, was es bedeutet, für etwas wirklich einzutreten. Warum sollte ich mein Herz brechen und versuchen, mit Hilfe Ihres dummen Schnickschnacks alles zusammenzuhalten? Schließlich gibt es immer noch die Discreets.«
    Er sah mich wild an. »Da haben Sie den Ratsherrn durch Ihre Einmischung hingeschickt. Wenn wir erst alles verloren haben, wird soviel Blut in den Discreets sein, daß Sie darin schwimmen können.«
    Er sprang vom Schreibtisch, hüpfte über den Teppich und zerrte mich vom Stuhl. Ich packte schwach seine Handgelenke. Meine Arme und Beine flogen herum, als er mich schüttelte. Der Tiger kam klickend näher. »Ich hasse Sie«, brüllte er, »ich hasse alles, für das Sie stehen! Ich bin Ihre Clique und Ihre Philosophien und Ihr albernes Lächeln leid. Sie haben durch Ihre Einmischung einen guten Freund umgebracht. Raus jetzt! Verlassen Sie Z-K. Sie haben achtundvierzig Stunden. Danach lasse ich Sie verhaften und an den höchsten Bieter verkaufen.« Er stieß mich verächtlich zurück. Ich brach in der Schwerkraft sofort zusammen, mein Kopf prallte auf den Teppich.
    Der Tiger zog mich auf die Beine, während der Koordinator auf seinen übergroßen Stuhl kletterte. Er blickte auf seinen Börsenschirm, und ich kletterte zitternd auf den Rücken des Tigers.
    »Oh, nein«, sagte er leise. »Verrat.« Der Tiger schaffte mich fort.
     
    Ich fand Wellspring endlich in Dogtown. Dogtown, die Stadt der Hunde, war eine chaotische Substation, die sich oberhalb der Rotationsachse von Z-K langsam um sich selbst drehte. Es war ein Hafen und eine Zollstation, ein Gewirr von Schiffswerften, Lagerkuppeln, Quarantänestationen und Sozialhäusern, in denen alle Bedürfnisse der Streuner, Einsamen und Fremden befriedigt wurden.
    Dogtown war der Ort, an den man ging, wenn einen niemand sonst mehr haben wollte. Überall waren Reisende: Prospektoren, Freibeuter, Kriminelle, Versprengte von Sekten, deren Innovation fehlgeschlagen war, bankrotte Banker, Deserteure, Kunden für gefährliche Freuden. Entsprechend wimmelte es vor Hunden und kleineren Überwachungsanlagen. Dogtown war ein wirklich gefährlicher Ort, denn hier tummelten sich Ausgestoßene und Gierige. Die ständige Überwachung hatte jedes Schamgefühl zerstört.
    Ich fand Wellspring in der dicken Blase einer Röhrenbar. Er besprach mit einem Mann, den er als ›Modem‹ vorstellte, ein größeres Geschäft. Modem war Angehöriger einer kleinen, aber vitalen Mechanisierersekte, die in Z-K ›Lobster‹ genannt wurde. Die Lobster lebten ständig in hautengen Lebenserhaltungssystemen, an die hier und dort Maschinen und Ein- und Ausgabestutzen angeschlossen waren. Die Anzüge waren gesichtslos und schwarz. Die Lobster sahen aus wie Schatten.
    Ich schüttelte den rauhen, zimmerwarmen Handschuh des Lobster und hakte mich an den Tisch.
    Ich klaubte eine Druckflasche von der Adhäsionsfläche des Tischs und trank. »Ich hab Probleme«, sagte ich. »Können wir vor diesem Mann reden?«
    Wellspring lachte. »Machst du Witze? Wir sind in Dogtown! Alles, was wir sagen, geht auf mehr Bänder, als du Zähne hast, Landau. Außerdem ist Modem ein alter Freund. Seine verschrobenen Ansichten könnten nützlich sein.«
    »Gut.« Ich begann zu erklären. Wellspring wollte Einzelheiten wissen. Ich ließ nichts aus.
    »Meine Güte«, sagte Wellspring, als ich fertig war. »Bleib an den Monitoren, Modem, dann wirst du sehen, wie Gerüchte die Lichtgeschwindigkeit überschreiten. Seltsam, daß von diesem komischen kleinen Bistro eine Neuigkeit ausgehen soll, die Z-K zerstören wird.« Er sprach jetzt ziemlich laut, und ich sah mich erschrocken um. Die Gäste sperrten schockiert den Mund auf. In den Mundwinkeln glitzerten Speicheltröpfchen.
    »Also ist die Königin fort«, sagte Wellspring. »Wahrscheinlich schon seit Wochen. Nun, da kann man nichts machen. Selbst die Gier der Investierer hat Grenzen. Die Berater konnten sie nicht ewig an der Nase herumführen. Vielleicht taucht sie irgendwo anders auf, in einer Station, die ihren emotionalen Bedürfnissen eher gerecht wird. Ich glaube, ich gehe an meine Monitore, um meine Verluste in Grenzen zu halten, solange sich auf dem Markt überhaupt noch etwas bewegt.«
    Wellspring teilte seinen geschlitzten Ärmel und sah beiläufig auf seinen Unterarmcomputer. Die Bar leerte sich

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