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Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Sie tranken nicht. Sex war nur mit Hilfe einer Cyberstimulation über Gehirnanschlüsse möglich. Etwa alle fünf Jahre kamen sie in die ›Mauser‹. Sie ließen von ihren Häuten die stinkenden, mutierten Bakterien abkratzen, die sich in der drückenden Hitze auf ihnen festgesetzt hatten.
    Sie kannten keine Angst. Platzangst war ein Gefühl, das sich mühelos mit Drogen zerquetschen ließ. Sie waren beherrscht und anarchisch. Ihre größte Freude war es, auf einer Strebe zu sitzen und ihre verstärkten Sinne für die Tiefen des Raumes zu öffnen und Sterne zu beobachten, die im Ultraviolett- oder Infrarotbereich strahlten, oder in die wellige, wabernde Oberfläche der Sonne zu starren. Oder sie saßen nur herum und nahmen die energiereiche Sonnenstrahlung über die Haut auf und lauschten mit verdrahteten Ohren dem Summen der Van Allen-Gürtel und dem musikalischen Klicken der Pulsare.
    Sie waren nicht böse, aber sie waren auch keine Menschen. Distanziert und eiskalt wie Kometen, waren sie Geschöpfe des Vakuums, gelangweilt von den altmodischen Paradigmen von Blut und Knochen. Ich sah in ihnen die ersten Anzeichen des Fünften Prigoginischen Sprungs – jener postulierten Fünften Ebene der Komplexität, die so weit über die Intelligenz hinausging, wie die Intelligenz sich vom Leben einer Amöbe unterschied oder das Leben von lebloser Materie.
    Sie machten mir angst. Ihre nüchterne Gleichgültigkeit gegenüber den menschlichen Beschränkungen gaben ihnen die finstere Ausstrahlung von Heiligen.
    Modem glitt über eine Strebe zu mir und schloß sich geräuschlos hinter mir an. Ich drehte meine Ohren und hörte seine Stimme, die das statische Rauschen der Maschinen übertönte. »Ein Anruf für dich, Landau. Von Z-K. Folge mir!«
    Ich stieß mich ab und schwebte hinter ihm an einer Strebe entlang. Wir betraten die Strahlenschleuse einer Eisenkuppel. Die Tür stand offen, denn die Lobster haßten verschlossene Räume.
    Vor mir auf dem Schirm sah ich das tränenüberströmte Gesicht von Valery Korstad. »Valery!« sagte ich.
    »Bist du es, Hans?«
    »Ja. Ja, Liebste. Schön, dich zu sehen.«
    »Kannst du nicht die Maske abnehmen, Hans? Ich will dein Gesicht sehen.«
    »Das ist keine Maske, Liebes. Und mein Gesicht ist, nun ja, kein sehr schöner Anblick. Lauter Drähte.«
    »Du klingst so seltsam, Hans. Deine Stimme klingt ganz anders.«
    »Das liegt daran, daß meine Stimme elektronisch erzeugt wird. Sie ist künstlich.«
    »Woher soll ich wissen, ob du es wirklich bist? Mein Gott, Hans … ich habe solche Angst. Alles … hier löst sich alles einfach auf. Der Schaum ist … es gibt eine biologische Gefahr, jemand hat die Schalen in deinem Raum zerstört, ich glaube, es waren die Hunde, und jetzt breiten sich die verdammten Flechten überall aus. Sie wachsen sehr schnell!«
    »Sie sind dafür gemacht, schnell zu wachsen, Valery, das war so gedacht. Sag ihnen, sie sollen ein Metallaerosol oder Schwefelverbindungen benutzen; damit kann man sie in ein paar Stunden töten. Kein Grund zur Panik.«
    »Kein Grund zur Panik! Hans, die Discreets sind wahre Selbstmordfabriken. Z-K ist am Ende! Wir haben die Königin verloren!«
    »Das Projekt gibt es aber noch«, sagte ich. »Die Königin war nur ein Vorwand, ein Katalysator. Das Projekt kann ebensoviel Respekt erzeugen wie die verdammte Königin. Die Grundlagen wurden schon vor Jahren festgelegt. Dies ist der Augenblick. Sag der Clique, sie soll alles verkaufen, was sie hat. Der Schaum muß in den Marsorbit verlegt werden.«
    Valery trieb zur Seite davon. »Darum ging es dir die ganze Zeit, was? Um das Projekt! Ich habe mich erniedrigt, und du mit deiner Kälte, deiner Former-Distanz hast mich einfach zurückgelassen!«
    »Valery!« rief ich erschüttert. »Ich habe dich ein dutzendmal angerufen, aber du hattest dich eingeschlossen. Ich war es, der nach all diesen Jahren unter den Hunden Wärme suchte …«
    »Du hättest mich erreichen können!« kreischte sie, und ihr Gesicht wurde bleich vor Leidenschaft. »Wenn dir wirklich etwas an mir gelegen hätte, wärst du eingebrochen, um es zu beweisen! Hast du erwartet, daß ich demütig zu dir gekrochen komme? Schwarzer Panzer oder Hundeaugen, Hans, es ist egal. Du bist nicht bei mir.«
    Ich spürte die Hitze nackter Wut unter meiner betäubten Haut. »Dann gib mir ruhig die Schuld! Woher sollte ich deine Rituale kennen, deine kranken kleinen Geheimnisse? Ich dachte, du hättest mich abgelegt, weil du lieber mit Wellspring

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