Zikadenkönigin
senkte das Fernglas. »Mein Gott, da kommt Omar.«
Turner folgte seinem Blick und sah den Hubschrauber, der sich wie eine Mücke zwischen den Hochhäusern erhob. »Wo ist Seria?«
»Versuchen Sie's mal im Bug.«
»Sie meinen, sie ist hier? Sie will auch weg?« Er rannte polternd über das Deck.
Seria trug eine weite Seemannshose und eine fleckige Nylon-Windjacke. Mit Hilfe zweier Männer der Dajak-Crew installierte sie eine Satellitenantenne aus Draht auf einer im Deck verankerten Eisenplatte. Sie hatte ihr langes, gefärbtes Haar abgeschnitten. Sie blickte zu ihm auf, und einen Moment lang sah er eine Fremde. Dann veränderte sie ihren Gesichtsausdruck, und er erkannte die vertrauten Züge. »Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen, Turner. Deshalb mußte ich es tun.«
Turner lächelte sie liebevoll an, zu erfreut über ihre Worte, um sie zu verstehen. »Was mußtest du tun, Engel?«
»Dein Telefon anzapfen natürlich. Ich hab es ursprünglich gemacht, weil ich eifersüchtig war. Ich mußte sicher sein. Du weißt schon. Aber als ich dann wußte, daß du fort wolltest, nun, ich mußte einfach noch ein letztes Mal deine Stimme hören. Ich hörte dein Gespräch mit deinem Großvater. Bist du mir böse?«
»Du hast mein Telefon angezapft? Du hast alles mitgehört?« sagte Turner.
»Ja, Liebster. Du warst wundervoll. Ich hätte nie gedacht, daß du es wirklich tust.«
»Nun«, sagte Turner, »ich hätte auch nie gedacht, daß du so ein Ding drehst.«
»Jemand mußte eine große Geste machen«, sagte sie. »Es lag bei mir, nicht? Aber ich hab dir das in meiner Nachricht erklärt.«
»Dann desertierst du? Du verläßt deine Familie?« Turner kniete sich benommen neben sie. Während er versuchte, die Teile zusammenzusetzen, fiel sein Blick auf einen Kreuzschlitzbolzen unter der Schüssel. Er nahm abwesend einen Schraubenschlüssel in die Hand. »Laß mich mal«, sagte er automatisch.
Seria saugte an einem aufgeschürften Knöchel. »Du hast meine letzte Nachricht nicht erhalten, was? Du bist von selbst gekommen?«
»Ja, yeah«, sagte Turner. »Ich hatte mich entschlossen zu bleiben. Du weißt schon. Bei dir.«
»Und jetzt entführen wir dich!« Sie lachte. »Wie romantisch!«
»Du wolltest zusammen mit Brooke weg?«
»Nicht nur ich, Turner. Schau nur!«
Brooke kam zu ihnen, und bei ihm war Dr. Moratuwa, neu eingekleidet mit safrangelben, weiten Hosen und einem T-Shirt. Die Arbeitskleidung eines buddhistischen Technikers. »Oh, nein«, sagte Turner. Er ließ den Schraubenschlüssel mit einem Knall fallen.
Seria sagte: »Nun weißt du, warum ich gehen mußte. Meine Familie hatte ihn eingesperrt. Ich mußte das adat brechen und Brooke helfen, ihn zu befreien. Es war meine Pflicht, mein dharma!«
»Das kann ich verstehen«, sagte Turner. »Ich brauch nur noch eine Weile. Hättest du mich nicht warnen können?«
»Ich hab's doch versucht! Ich hab dir über das Netz eine Nachricht geschickt!« Sie sah seine Niedergeschlagenheit und drückte seine Hand. »Ich glaube, die Pläne sind gescheitert. Aber wir können immer noch improvisieren.«
»Guten Tag, Mr. Choi«, sagte Moratuwa. »Es war sehr tapfer von Ihnen, uns Ihr Schicksal anzuvertrauen. Das war eine edelmütige Geste.«
»Danke«, sagte Turner. Er holte tief Luft. Also flohen sie alle. Es war ein Schock, aber damit konnte er zurechtkommen. Er mußte einfach noch mal beginnen und es aus einem neuen Blickwinkel sehen. Wenigstens war Seria bei ihm.
Er fühlte sich jetzt etwas besser. Er bekam die Situation unter Kontrolle.
Moratuwa seufzte. »Und ich wünsche immer noch, es hätte funktioniert.«
»Dein Bruder kommt«, sagte Brooke finster zu Seria. »Vergiß nicht, daß das alles meine Schuld war.«
Sie hatten einen guten Wind in den Segeln, aber der Hubschrauber des Kronprinzen holte sie mühelos ein. Das Summen schwoll zu einem Dröhnen an. Auf dem hellorangefarbenen Schwimmer unter der Kanzel hockte ein Gurkha-Palastwächter mit einem leichten Maschinengewehr. Seine goldbetreßte Uniform flatterte im Wind der Rotoren.
Der Hubschrauber umkreiste das Boot. »Wir haben es immerhin versucht«, sagte Brooke. »Wenigstens ist es kein Patrouillenboot mit diesen verdammten Exocet-Raketen. Da die Prinzessin an Bord ist, handelt es sich um eine Familienangelegenheit. Wir können uns auf das adat verlassen.« Er klopfte Moratuwa auf die Schulter. »Sieht so aus, als würden Sie doch noch einen Zellengefährten bekommen, alter Mann.«
Seria ignorierte
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