Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
Asimov's Science Fiction Magazine‹,
    Oktober 1985)
    Copyright © 1990 der deutschen Übersetzung
    by Wilhelm Heyne Verlag, München
    Aus dem Amerikanischen übersetzt von Jürgen Langowski
     

Spitzel
     
    Für Rudy Rucker
     
    Das Shuttle verließ den Orbit und brachte den Spitzel nach Washington D.C. hinunter. Er fühlte sich ausgezeichnet. Der Spitzel drehte sich auf seinem Sitz herum und grinste durch das Plexiglas zu den fröhlich glühenden Leitwerken des Shuttles hinaus.
    Weit drunten trug das unnatürliche Grün der genmodulierten Wälder noch die schwachen Narben ehemaliger Straßen und Zäune. Der Spitzel fuhr sich mit langen, dünnen, beweglichen Fingern durch sein kurzgeschnittenes blaues Haar. Er war seit zehn Monaten nicht mehr auf festem Boden gewesen. Das Gefühl der Abgeschiedenheit, das für die orbitale Zaibatsu-Serie typisch war, fiel wie eine kühle, knisternde Schlangenhaut von ihm ab.
    Das Shuttle bremste unter leichtem, nicht unangenehmem Schaudern auf Mach 4 herunter. Der Spitzel drehte sich in die andere Richtung und schielte mit halbgeschlossenen grünen Augen an dem schlafenden Plutokraten neben sich vorbei zu der Frau, die jenseits des Gangs saß. Sie hatte den kühlen, ausgehungerten Blick einer Zaibatsu. Ihre hohlen, blutunterlaufenen Augen … die Frau sah aus, als hätte sie Mühe mit der Schwerkraft, nachdem sie zuviel Zeit in der niedrigen Gravitation ihrer Zaibatsu-Station verbracht hatte. Sie würde dafür bezahlen, wenn sie landeten, denn dann mußte sie wie eine Greisin mühsam von Wasserbett zu Wasserbett schlurfen …
    Der Spitzel blickte nach unten; seine Hände zuckten und machten unbewußte Greifbewegungen in seinem Schoß. Er hob sie und schüttelte die Spannung heraus. Dumme kleine Hände …
    Die Wälder von Maryland Piedmont huschten wie ein grüner Videofilm vorbei. Washington und die DNS-Labors von Rockville, Maryland, waren noch 1080 tickende Sekunden entfernt. Er konnte sich nicht erinnern, schon einmal so einen Spaß gehabt zu haben. Im rechten Ohr flüsterte sein Computer, flüsterte und flüsterte …
    Das Shuttle stürzte auf die verstärkte Landebahn hinab, wo es von Bodenfahrzeugen zum Abkühlen eingeschäumt wurde. Der Spitzel stieg von der Liege und ergriff seinen Koffer.
    Der Hubschrauber des Sicherheitsdienstes der Replicon Corporation erwartete ihn bereits. Auf dem Flug zur Hauptverwaltung von Replicon in Rockville nahm er einen Drink. Aus seinem Unterbewußtsein drangen Informationen über die Bauart des Hubschraubers empor. Die Techniken, die er im Ausbildungslager gelernt hatte, zuckten wie psychotische Nachwehen durch sein Kleinhirn. Unter dem Einfluß von Schwerkraft, frischer Luft und dicken Polstern fielen große Teile seiner Persönlichkeit in sich zusammen.
    Er fühlte sich süß und weich wie der Kern einer verfaulten Melone. Also gut, fließend und glatt wie Schmieröl … Einem Impuls folgend öffnete er seinen Koffer, nahm seinen automatischen Kamm aus dem Necessaire und schaltete ihn mit dem irisierenden Nagel seines rechten Daumens ein. Schwarze Farbe aus den vibrierenden Zähnen des Kamms glättete seine blauen Haare und tönte sie nach.
    Er löste den winzigen Stecker aus der Verbindung mit dem rechten Hörnerv und nahm den Computer-Ohrring ab. Er summte vor sich hin, um die Leere nach dem beständigen Flüstern zu überbrücken, und öffnete ein flaches Kästchen, das im Innern des Koffers befestigt war. Er steckte den Minicomp-Ohrring in sein gepolstertes Fach. Im Kästchen lagen noch sieben weitere: kleine, mit Juwelen besetzte Kugeln, vollgepackt mit miniaturisierten Schaltkreisen und geladen mit modernster Software. Er stöpselte einen neuen ein und hakte ihn in sein Ohrläppchen. Der Ring teilte ihm flüsternd seine Fähigkeiten mit, falls er sie vergessen hatte. Er hörte nur mit halbem Ohr zu.
    Der Hubschrauber landete auf dem Replicon-Zeichen in der Mitte des Flachdachs der vierstöckigen Hauptverwaltung. Der Spitzel ging zum Aufzug. Er biß ein Stück von seinem Fingernagel ab und warf es in den versenkten Schlitz eines Bioanalysators. Dann wiegte er sich auf seinen nagelneuen Fersen und grinste, während er von Kameras und Ultraschallgeräten abgetastet, gewogen und gemessen wurde.
    Die Fahrstuhltür glitt auf. Er trat hinein und starrte fröhlich die Wand an. Sie öffnete sich wieder, und er wanderte durch einen edelholzvertäfelten Flur zum Büro des Sicherheitschefs von Replicon.
    Er übergab dem Sekretär seine

Weitere Kostenlose Bücher