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Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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sagte ihm, daß die Integration in die Maya-Gesellschaft erst möglich sei, wenn er sich aller alten Falschheiten entledigt habe und gereinigt und wiedergeboren sei. In der Zwischenzeit würde man ihn die Sprache lehren. Er wurde angewiesen, das Alltagsleben der Stadt zu beobachten und eine Vision zu erwarten. Die vergitterten Fenster seiner Zelle boten ihm einen ausgezeichneten Blick über Tikal. Täglich wurden auf der größten Tempelpyramide Zeremonien abgehalten; die Priester kletterten wie Schlafwandler die steilen Stufen hinauf, und steinerne Opferschalen sandten schwarze Rauchfäden in den erbarmungslosen Himmel Guatemalas. In Tikal lebten fast fünfzigtausend Menschen, eine gewaltige Zahl für eine präindustrielle Gesellschaft.
    Im Morgengrauen glitzerte das Wasser in einem von Hand gemeißelten Sandsteinreservoir östlich der Stadt. Abends ging die Sonne im Dschungel hinter einer heiligen Stele und einem Opferbrunnen unter. Etwa hundert Meter von der Stele entfernt stand eine kleine, reich geschmückte Steinpyramide, die von Männern mit Gewehren streng bewacht wurde. Die Pyramide war über dem Luftschutzbunker des amerikanischen Millionärs Owens errichtet worden. Wenn der Spitzel den Hals verrenkte und durch die Steingitter lugte, konnte er sehen, wie die hochrangigen Priester der Stadt dort ein- und ausgingen.
    Die Zelle nahm schon am ersten Tag die Arbeit auf. Die Spitzel-Ausbildung, der Schleier und sein Computer schützten ihn, aber er beobachtete interessiert die Techniken. Tagsüber wurde er ab und zu mit Ultraschall bestrahlt, der am Ohr vorbeiging und unmittelbar das Nervensystem beeinflußte und Desorientierung und Furcht hervorrief. Nachts drangen hypnagogische Indoktrinationen aus versteckten Lautsprechern, die etwa um drei Uhr morgens, wenn der Biorhythmus auf einem Tiefpunkt war, ihren Höhepunkt erreichten. Am Morgen und Abend sangen Priester laut auf der Spitze des Tempels und wiederholten Mantras, die so alt waren wie die Menschheit selbst. Zusammen mit der leichten sensorischen Deprivation seiner Kammer war die Wirkung beeindruckend. Nach zwei Wochen dieser Behandlung sang der Spitzel sich mit einer Leichtigkeit, die wie Zauberei schien, durch seinen Sprachunterricht.
    In der dritten Woche begannen sie, seinem Essen Drogen zuzusetzen. Als sich etwa zwei Stunden nach dem Essen die Dinge aufzulösen schienen, erkannte der Spitzel, daß dies nicht die übliche Ultraschallbehandlung war, sondern eine starke Dosis Psilocybin. Psychedelische Drogen waren nicht ganz nach dem Geschmack des Spitzels, aber er ging ohne große Mühe auf den Trip. Das Peyote am nächsten Tag war erheblich härter – er konnte die bitteren Alkaloide in seiner Tortilla und den schwarzen Bohnen schmecken –, aber er aß alles auf, da er glaubte, seine Nahrungsaufnahme würde überwacht. Der Tag dehnte sich endlos, Krämpfe und Übelkeit wechselten mit Phasen religiöser Verzückung, in denen er glaubte, seine Poren seien blutende Dornen. Der Höhepunkt kam irgendwann nach Sonnenuntergang, als die ganze Stadt bei Fackellicht versammelt war, um zwei jungen Frauen zuzusehen, die sich, in weiße Gewänder gekleidet, furchtlos von einem Steinkatafalk in die kalten grünen Tiefen des heiligen Brunnens stürzten. Er konnte fast das kalte, grüne Wasser zwischen den Sandsteinen auf der Zunge spüren, während die von Drogen betäubten Mädchen still ertranken.
    In der vierten und fünften Woche wurde die Dosierung der psychedelischen Drogen zurückgenommen. Er wurde akklimatisiert, indem zwei junge Priesterinnen in etwa seinem Alter ihn in der Stadt herumführten. Sie vervollkommneten die Sprachausbildung und begannen ihn in die komplizierte Theologie der Resurgence einzuführen. Ein normaler Mann wäre inzwischen soweit atomisiert gewesen, daß er wie ein Kind an ihnen gehangen hätte. Selbst für den Spitzel war es ein schwerer Weg gewesen, und er mußte sich manchmal beherrschen, die beiden Priesterinnen nicht wie Mandarinen aufzureißen.
    In der Mitte seines zweiten Monats ließ man ihn zur Probe in den Maisfeldern arbeiten und erlaubte ihm, in einem Dorf in einem strohgedeckten Haus zu schlafen. Er teilte sich die Hütte mit zwei anderen Rekruten. Sie bemühten sich gemeinsam, ihren zerschmetterten Psychen eine Gestalt zu geben, die in dieser Kultur gebilligt wurde. Dem Spitzel paßte es nicht, mit ihnen eingesperrt zu sein; sie waren so zerbrochen, daß er nicht einmal seine Wut an ihnen auslassen konnte. Er war

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