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Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Titel: Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Männergestank. Der Geruch des Feuers verstärkte sich kurzzeitig, bis er von der Feuchtigkeit in sich erstickt zu werden schien. Ein gelöschter Brand – der Gipfel ekelhafter Gerüche.
    Wechselnde Aromen, offenbar Gänge oder Räume unterschiedlicher Beschaffenheit und Feuchte. Auf Moder folgte Staub. Zerbröckelnder, sich auflösender Stein, trocken, sandig. Plötzlich beißende Gerüche, schmerzhaft, aggressiv, Krankenhausluft, Laborgestank, Desinfektionsmittel, Chemikalien. Wieder Stein, aber viel schwächer nun auf den angegriffenen Schleimhäuten.

    Was sie fühlte:
    Einen Luftzug. Ihre Füße auf dem leicht unebenen Boden, Schmerzen, wenn sie mit den Armen gegen die engen Korridorwände schrammte. Kälte, Feuchtigkeit, die Atmosphäre einer unterirdischen Höhlenwelt, darin völlig unpassend das launische Klatschen einer Hitzezunge gegen ihr Gesicht, gegen ihren Körper. Die Fackel.
    Eine Berührung. Menschliche Haut, nur ganz kurz. Das leichte Wehen eines Atems, der nicht der ihre war. Wärme, die nicht von der Fackel stammte. Viel später eine Hand in ihrer Hand, feucht, heiß, weit im Hintergrund der Empfindung eine Art Puls, der Herzschlag des Gegenübers, dann die Muskeln: ein Ziehen, Festhalten, Zerren, gewaltsam beinahe, während sie rannten. Bis sie einander entglitten. Ein Ruck, der durch ihren Körper ging. Ihre Hand, zitternd die Fackel umklammernd und von sich streckend, ein Hieb, der sie ihr aus den Fingern schlug. Für einen winzigen Moment sengende Hitze, als das Feuer an ihrem Arm vorbeiwischte.
    Flucht. Schnelle, unsichere Schritte auf dem harten Untergrund, ständiges Prallen gegen Fels, Schmerzen in Kopf, Schulter, in Händen und Armen. Konnte sie nicht sehen, wo sie hinlief? Sie behandelte ihren Körper wie ein Stück Dreck, auf dem man herumtrampeln konnte.
    Treppenstufen, aus dem Nichts. Sie stolperte und zerschmetterte sich beinahe die Knie. Die klamme Kälte der unterirdischen Welt verschwand, hinter dem Film aus Schweiß fühlte ihre Haut eine trockene, wärmere Umgebung. Ihre Füße stießen gegen etwas, Möbelstücke vielleicht. Ihre Finger tasteten, fanden Behälter, unbekannte Formen – und griffen in eine gezackte, rasiermesserscharfe Klinge! Der Schmerz zerfetzte ihre Fingerkuppen, heißes Blut spritzte.
    Sie brüllte einen für sie unhörbaren Schrei in die Dunkelheit. Sie spürte ihn wie einen gefangenen Dämon ätzend durch ihre Kehle fahren. Die ziehenden Schmerzen wurden nur noch stärker, wenn sie die verletzte Hand gegen ihren Körper drückte. Ein Mensch war bei ihr, stieß sanft von der Seite gegen sie, umarmte sie, streichelte ihren Rücken. Benommen wandten sie sich um und taumelten gemeinsam hinaus, vorsichtig die Treppe hinunter, dann schneller, prallten erneut gegen Wände, viele Wände, irrten umher, und irgendwann schlugen ihnen neue Treppenstufen gegen die Füße. Sie stürzten beide, krümmten sich zusammen, hielten einander. Da waren Tränen auf ihrer Wange, die von ihr stammten, und andere, die nicht ihr gehörten. Die Wärme ihrer Körper tröstete sie, gab ihnen neue Kraft. Gemeinsam schwankten sie nach oben, durch finstere Räume, bis die Empfindung der Luft auf ihrer Haut sich irgendwie veränderte und der Fels unter ihren Füßen nachgiebigem Wiesenboden wich.

    Was sie hörte:
    Die hektischen Schritte, ihre eigenen und andere hinter ihr, die jedoch zurückfielen. Das Quietschen ihrer Turnschuhsohlen auf dem Stein. Das nasse Knacken des Feuers. Das Heulen ihres Atems, erschreckend fremd, als läge jemand im Sterben, den sie nicht kannte.
    Schritte aus der Gegenrichtung, kein Echo, ein anderer Rhythmus, ebenfalls voller Eile.
    Eine Stimme, bekannt und doch nicht einzuordnen: „Me-Melanie. Bist du das?“
    Ihre eigene Stimme, keuchend: „Ich muss raus hier! Raus … Es ist furchtbar! Wer … wer bist …“
    „Ich bin Dorothea, deine Zimmergenossin.“
    „Zimmer? Welche Zimmer? Zimmer der Veränderung oder … Zimmer der Wahrheit? Ich habe keine Zeit … es tut mir leid … ich muss … ich wusste nicht, dass es hier unten auch Frauen gibt …“
    „Melanie, ich spreche von Falkengrund. Wir wohnen dort zusammen in einem Zimmer.“
    „Was … ist … warum kann ich dich nicht richtig sehen? Entschuldige, etwas stimmt nicht mit … mit meinen Augen. Das Fackellicht, der Schock … Warst du … im Zimmer der Wahrheit? Hast du es gesehen? Dieses …“
    „Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Melanie. Aber du musst dich beruhigen! Es ist normal, dass du

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