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Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Titel: Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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mich nicht wahrnehmen kannst. Ich kann dir alles erklären, später. Du“, die Stimme bekam vorübergehend einen kühlen, enttäuschten Klang, „du weißt bestimmt schon alles. Du bist die Spionin, nicht wahr? Oder ist das alles nur eine Lüge von Madoka?“
    „Ich verstehe dich nicht. Wie … sagtest du, war dein Name?“
    „Dorothea. Dorothea Kayser. Niemand nimmt mich wahr. Aber diese Leute … aus dem Kloster – sie sehen mich … irgendwie … oder spüren mich … Sie sind anders, ihre Art der Wahrnehmung funktioniert nicht wie die der anderen Menschen. Ich bin aus Falkengrund geflohen, weil ich Angst vor dir hatte … und in eine dieser Limousinen gestiegen. Ich dachte, sie würden mich weit weg bringen, in Sicherheit – ein Kloster … kein schlechtes Versteck. Aber … Verstehst du mich, Melanie? Kannst du mich sehen?“
    „Verschwommen … Meine Konzentration … Da ist etwas zwischen uns, wie eine Mauer …“
    „Das ist meine Tarnung. Du musst dir Mühe geben. Fixiere mich! Nicht aufgeben! Sie sagten, Gott habe mich geschickt. Ich sei ein Messias – das Ende … sie sagten, ich sei das Ende aller Täuschungen, das Ende aller Lügen, kein Teil der satanischen Welt. Ich verstehe ihren Glauben nicht, aber sie scheinen etwas … Göttliches zu sehen in meiner Gabe. Es scheint das zu sein, wonach sie sich schon lange gesehnt haben. Sie machen mir Angst, und als ich bat, mich wieder nach Falkengrund zurückzubringen, wollten sie mich nicht gehen lassen. Ich … habe einen von ihnen niedergeschlagen und bin geflohen …“
    „Do-Doris. Ich sehe dich jetzt klarer.“
    „Dorothea. Ich weiß nicht, was du gesehen hast, aber wir müssen fliehen. Gemeinsam haben wir vielleicht eine Chance. Wir können später über alles reden. Erst müssen wir hier heraus. Dieser Gang hier, vielleicht führt er ins Freie …“
    Das chaotische Durcheinander ihrer Schritte. Nicht lange, dann brach es ab.
    „Da ist jemand! Ein Mönch! Zwei Mönche! Sie sind … nicht blind.“
    „Umkehren! Die andere Richtung!“
    Ihr Atmen, überlaut, hysterisch.
    „Hinter dir! Noch einer!“
    „Streck ihm die Fackel entgegen!“
    „Er sieht sie nicht. Das ist einer von den Blinden. Er … läuft direkt in die Flamme …“
    Melanies Aufschrei, das Klatschen der Fackel auf den Boden. der zischelnde Tod des Feuers. Neue Fluchtgeräusche, unterschiedliche Akustiken, Schritte auf feuchtem und trockenem Boden, immer wieder Aufstöhnen bei den Kollisionen mit den Wänden. Schmerzerfülltes Aufheulen. Die Treppe! Ihre Schritte jetzt mit tieferem Echo – eine große Halle offenbar.
    „Wo sind wir? Was ist das? Es riecht nach Chemikalien.“
    „Wie in einem Krankenhaus. Gibt es hier irgendwo einen Ausgang? Es ist alles stockfinster.“ In Melanies eigener Stimme klang noch die Pein ihres Sturzes nach. „Autsch! Das war ein Schrank, nehme ich an. Und hier ist ein … ein Tisch …“
    „Das fühlt sich nach irgendwelchen Gefäßen an. Vielleicht ist das wirklich eine Krankenstation.“
    „Oder ein Operationssaal. Diese Leute nehmen sich selbst das Augenlicht und operieren Hände und Ohren ab, um ihre Wahrnehmungen einzuschränken.“
    „Was?“ Dorotheas Stimme verriet Ekel.
    „Ich habe noch nie etwas so Grässliches gesehen“, sagte Melanie. Im nächsten Moment füllte ein Schrei ihr Gehör aus. Lange Zeit wollte sie nicht akzeptieren, dass es ihr eigener war. Bis er in ihre Stimme überging: „Ein Messer … ich habe in ein Messer gefasst. Das muss eines dieser Instrumente sein, mit denen … mein Gott! Mein Gott!“
    „Raus hier! Gehen wir die Treppe zurück. Sie muss irgendwo da drüben sein. Komm, ich führe dich.“
    „Nein … es tut so weh!“
    „Wir müssen weg, ehe sie uns hier einkreisen. Die Treppe hinunter und durch das Labyrinth der Gänge. Dort haben wir eine Chance, hier nicht.“
    Melanies eigenes Wimmern, ihre unsteten Schritte. Das kalte, kurze Echo in den Korridoren. Wie sie es hasste, wieder hier unten zu sein! Sie würde dieses Echo in ihrem Leben nie mehr vergessen.
    Dorothea: „Hier geht’s nach rechts. Folge mir!“
    „Woher willst du wissen, dass es der Ausgang ist?“
    „Wir müssen es versuchen. Hier ist schon wieder eine Abzweigung. Die nehmen wir auch.“
    Eine Ewigkeit später veränderte sich erneut die Geräuschkulisse. Ihre gemeinsamen Schreie. Die zweite Treppe. Erschöpftes Stöhnen, und wieder ihre eigenen Schritte. Die Echos wurden wieder größer, und dann verschwanden sie

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