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Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Titel: Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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lächerlich es klang: Sie hatte tatsächlich keine Angst gehabt, und keine Fragen, solange ihre Sinne sie im Stich gelassen hatten …
    WAS TUT ER DA DRIN?
    „Er verändert sich. Es ist eine Art Meditation.“
    ABER …
    „Eine körperliche Form der Meditation.“
    Sie versuchte sich zu zwingen, das Bild, das sie so schockiert hatte, in ihr Gedächtnis zurückzurufen. Doch ihr Kopf weigerte sich. Es war nur eine Täuschung , sagte eine innere Stimme energisch. Die schlechten Lichtverhältnisse, die geheimnistuerischen Kommentare. Harte Schatten schaffen Formen, die es nicht gibt. Wie lange hast du hineingesehen? Keine Sekunde! Seine Arme waren da. Du hast sie nur nicht wahrgenommen. Verrückt! Erst hatten ihre Sinne es aufgenommen, sie damit zu Tode erschreckt, und nun wollte ihr Geist es wegdiskutieren!
    Das beweist, wie schrecklich nutzlos deine Sinne sind. So hätte die Erwiderung des Mönchs gelautet, kein Zweifel. Sie fühlte, wie der Wahnsinn nach ihr zu greifen versuchte, aber noch hatte er keine Chance. Er war weit weg und zu schwach. Aber er würde nicht aufgeben, würde irgendwo da draußen warten, bis sie zerbrechlich geworden war.
    KÖRPERLICHE MEDITATION?, schrieb sie.
    Konnte man das, was der Mann in der Kammer machte, Meditation nennen? Hatte er sich nicht einfach nur verkrochen wie eine jämmerliche, geschundene, traurige Kreatur?
    „Es gibt noch viele Zimmer der Veränderung“, sagte der alte Mönch, wich ihrer Frage anscheinend aus. Oder beantwortete sie auf eine andere Weise. „Du kannst sie dir alle ansehen, wenn du möchtest.“
    Du kannst sie dir ansehen. Gab es wirklich noch mehr davon? Und – lud er sie tatsächlich ein, sie einen nach dem anderen in Augenschein zu nehmen?
    Mit weichen Knien ging sie zur nächsten Öffnung, die ihr schon schwarz entgegenbleckte. Diesmal sah sie nicht aus Neugier hinein, sondern in der Hoffnung, das Bild zu verscheuchen, das sich immer tiefer und greller in die unbewussteren Gefilde ihres Geistes fraß, unerklärt, unbestätigt, unwiderlegt. Sie schwor sich, länger hinzusehen, und sie tat es. Wieder kauerte ein Mann in der Finsternis. Eine bräunliche Decke oder Kutte verhüllte seinen Körper, doch sie konnte die Arme erkennen, die ohne Hände auf dem Stoff lagen, in Stümpfen endeten. Und seine Augen waren leer, geblendet. Sie folterte sich selbst damit, ihn anzusehen. Wie lange währte der erste Eindruck, wie lange der zweite und dritte? Wie lange würde es dauern, bis sie alle überwunden hatte und etwas anderes sah?
    Aber was gab es schon anderes zu sehen?
    WOHER WUSSTEN SIE VON MEINEM PROBLEM?, schrieb sie zitternd. Es war, als erhalte sie hier eine Lektion, eine Unterweisung, die sie zwar noch nicht verstand, die aber genau auf ihre Situation abgestimmt war.
    „Im Zimmer der Wahrheit ist ein Mensch, der vieles weiß.“
    Sie zögerte. IST ES JEMAND, DEN ICH KENNE? DER MICH KENNT?
    „Nein. Es ist jemand, der nicht mehr sieht, nicht mehr hört, nicht mehr riecht, schmeckt oder fühlt, sondern nur noch … erfährt … weiß …“
    WIE IST SEIN NAME?
    „Auch er trägt keinen Namen. Er ist jemand, der die Zimmer der Veränderung durchlaufen und das letzte Zimmer erreicht hat, das es in dieser Welt gibt.“
    Und dieser Mann hatte sie, Melanie, gefunden? Hieß das, er verfügte über übersinnliche Kräfte?
    Das Wort „übersinnlich“ blieb in ihrem Geist stecken, und sie hatte das Gefühl, es noch nie richtig betrachtet zu haben. „Übersinnlich“ war für sie immer ein Synonym für „wunderbar“ oder „unerklärlich“ gewesen, nicht mehr. Tatsächlich aber bedeutete es „über die Sinne hinausgehend“. War es möglich, die Sinne auszuschalten und dennoch etwas zu erfahren? Wenn dieser Mann sie irgendwie erspürt hatte, dann konnte er ihr bestimmt bei ihrem Problem behilflich sein, konnte ihr helfen, die Wahrheit hinter ihrem Traum und hinter Madokas Anschuldigung zu finden.
    ICH MÖCHTE MIT DIESEM MANN REDEN, schrieb sie.
    „Du verstehst immer noch nicht“, antwortete der Mönch. „Er spricht nicht.“
    FÜHREN SIE MICH IN DAS ZIMMER DER WAHRHEIT, bat sie.
    Der Mönch blieb stehen und wies stumm auf einen niedrigen Durchgang, keine fünf Meter von ihnen entfernt. Er war so geschickt in den Schatten vorgewölbter Felsen verborgen, dass sie daran vorbeigegangen wäre, wäre sie nicht darauf aufmerksam gemacht worden. Sie wollte den Mönch vorlassen, doch dieser bedeutete ihr, als erste hindurchzugehen. Als sie sich bückte und mit der

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