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Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Titel: Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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vollkommen.
    Irgendwo sang ein Vogel. Es war wie eine unverfrorene Lüge. Und dennoch schön.
    Die unterirdischen Gänge lagen hinter ihnen.
    Sie befanden sich unter freiem Himmel.

7
    Aus dem verwahrlosten Innengarten fanden sie wie von selbst den Weg nach draußen. Einer der Mönche lief in unmittelbarer Nähe an ihnen vorüber, ohne sie zu bemerken. Auch er schien blind und gehörlos zu sein und stellte keine Gefahr für sie dar.
    Melanies Sinne fügten sich zusammen, und sie konnte das Mädchen an ihrer Seite jetzt gut wahrnehmen, besser als zuvor. Ab und zu schien Melanies Verstand sich von Dorothea zurückziehen zu wollen, doch mit etwas Mühe konnte sie dem eigenartigen Effekt entgegenwirken. Es schien eine Frage des Willens und der Übung zu sein.
    Müde, ausgelaugt gingen sie querfeldein über die Wiesen hinter dem Kloster, einem kleinen Dorf im Tal entgegen. „Ich bin keine Spionin“, sagte Melanie mehr zu sich selbst. Ihre verletzte Hand drückte sie weiterhin gegen ihre ohnehin schon blutige Kleidung. „Aber vielleicht hat Madoka nicht ganz unrecht. Vielleicht ist da wirklich etwas hinter meinen Augen.“ Sie dachte nach und fügte schließlich kaum hörbar hinzu: „Möglicherweise ist diese Welt wirklich eine Kulisse, vom Teufel eigenhändig gebaut. Aber was, wenn es anders ist? Wenn das Wesen, das uns geschaffen hat, uns braucht, weil es diese Erde nur durch unsere Augen sieht, durch unsere Ohren hört und mit unseren Händen fühlt? Was, wenn wir die Sinnesorgane Gottes sind?“
    Es war ein milder Nachmittag, Heuschrecken sprangen von Grashalm zu Grashalm, ein Vogelschwarm zog unter den grauweißen Wolken dahin, und alles in allem sah die Welt nicht aus, wie sie der Satan hätte haben wollen …

    ENDE DER EPISODE

    - - - - - - -

Nr. 31 -

Schatzjäger

1
    Tyron Stood kam sich vor wie bestellt und nicht abgeholt. Seit einer geschlagenen Stunde balancierte er seinen Körper auf dem unbequemen Holzstuhl, dessen vier Beine alle eine ungleiche Länge zu haben schienen. Selbst im Sitzen drohte sein Kopf gegen die niedrige Decke der Spelunke zu stoßen. So grell die Hinweisschilder vor dieser schmutzigen Kneipe auch gewesen sein mochten – im zwielichtigen Inneren verschmolz die Welt zu einer reichen Sammlung von Brauntönen, und saure Gerüche wie von verfaulten Zitrusfrüchten mischten sich unter den strengen Duft des Tees.
    Stood war lange genug in allen Ecken dieser Weltkugel unterwegs gewesen, um zu wissen, dass in manchen der finstersten Kaschemmen ein bitterer Mokka oder ein aufputschender Schwarztee das härteste Getränk im Programm darstellte. Ausgerechnet diese Schänke hier war so ein hoffnungsloser Fall. Der Islam, die Staatsreligion von Bangladesch, verbot den Alkohol. Stood war überzeugt davon, dass das hier angebaute Zuckerrohr mit ein bisschen gutem Willen zu einem ordentlichen Rum hätte gebraut werden können, und ebenso sicher war er, dass ihm ein solcher die lange Wartezeit um einiges erträglicher gestaltet hätte.
    Es war heiß und schwül. Draußen war eben erst der letzte Wolkenbruch zu Ende gegangen, und der nächste würde nicht lange auf sich warten lassen. Jetzt, im August, zur Monsunzeit, gingen schwere Regenfälle auf das kleine, dicht besiedelte Land nieder, und Überschwemmungen standen an der Tagesordnung. Man konnte die Luft beinahe trinken, und man schwitzte, ohne sich zu bewegen.
    Ventilatoren gab es hier nicht. Dafür ein Radio hinter der Theke, aus dem kaum erträglicher India-Pop hupte. Eine Gruppe von fünf Männern am Nebentisch unterhielt sich lautstark in der Landessprache Bengali, Händler vermutlich, denn sie waren verhältnismäßig sauber gekleidet. Während sie redeten, kauten sie auf Wurzeln herum. Ihr Atem roch nach einer herben Art von Lakritze.
    Die schwielige Hand des Amerikaners kroch über den winzigen runden Tisch, vor und zurück, vor und zurück. Er bereute bereits, dem jungen Kerl mit der Zahnlücke die Adresse des englischen Doktors gegeben zu haben. Gewiss, er besaß eine Kopie davon, aber trotzdem war ihm nicht wohl bei dem Gedanken, der Junge könnte ihn übers Ohr gehauen haben. Was, wenn er die Adresse an jemanden weiterverkaufte, der ein ähnliches Interesse an den Forschungen des Doktors hatte wie er, Tyron Stood? Was, wenn er jemanden auf den Plan rief, der sich ihm in den Weg stellte? Der dafür sorgte, dass der amerikanische Abenteurer nicht finden würde, wofür er den weiten Weg an den Golf von Bengalen auf sich genommen

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