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Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Titel: Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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unterschieden sich nicht so sehr wie es den Anschein hatte. Seiner Meinung nach war es an der Zeit, die Wahrheit zu zeigen. Wie manche moderne Maler und Schriftsteller es taten, so musste auch er gezielt nach dem Hässlichen, Ekelerregenden suchen, es mit der Kamera einfangen, mit den Erwartungen der Menschen spielen und sie enttäuschen. Viele Filme zeigten Männer bei einem gemütlichen Glas Bier im urigen Wirtshaus – wer zeigte schon Männer, die sich dort bis zum Erbrechen und bis zur Bewusstlosigkeit betranken? Konflikte und Gewalt waren ein wichtiger Bestandteil vieler Filme, doch wann gab es schon Menschen zu sehen, die sich wegen Nichtigkeiten die Zähne ausschlugen – in echt? Adrette Frauen, die in schicken Dirndl-Kleidchen der Männerwelt den Kopf verdrehten, gab es in Hülle und Fülle, aber schamlose Luder, die Spaß daran hatten, sich vor Zuschauern zu entblättern, waren in Heimatfilmen noch nie zu sehen gewesen. Überhaupt – offene Sexualität gehörte im Fernsehen und Kino des Jahres 1974 noch immer zu den größten Tabus, und die Gewalt, die gezeigt wurde, war eine stilisierte, unechte Art von Gewalt, mit dem einzigen Ziel, den Sieg des Guten über das Böse spannender zu gestalten.
    Simon war sehr angespannt während der Dreharbeiten. In ihm steckte ein Perfektionist. Einige der Szenen waren nicht ganz so ausgefallen, wie er sie sich vorgestellt hatte. Das Gespräch mit dem Landwirt war ergebnislos verlaufen. Wahrscheinlich würde er es ganz herausschneiden oder später noch eine neue Version drehen. Das hing auch davon ab, wie das Material sein würde, das er noch schießen wollte. Mit den übrigen Szenen war er zufrieden. Und er zweifelte nicht daran, dass auch die nächsten Stunden gute Bilder liefern würden.
    Sie näherten sich langsam aber sicher dem Höhepunkt des Films.
    Simon war einmal in seinem Leben richtig fleißig gewesen und hatte recherchiert. In der Umgebung von Wolfach gab es ein kleineres Schloss namens Falkengrund. Früher hatten dort die Adligen Jagden abgehalten und Feste gefeiert, und ein oder zwei Quellen wiesen schüchtern darauf hin, dass es bei den Banketten offenbar ziemlich lustig zugegangen war. Von Ausschweifungen war die Rede, und das Wort „Orgie“ fiel.
    Noch interessanter fand der frischgebackene Filmemacher die Hinweise auf den Spuk von Falkengrund. Das Anwesen stand diesen Dokumenten zufolge seit Jahrzehnten leer, und die Schuld dafür gab man … einem Gespenst. Das Gebäude wurde gemieden und hatte sich einen Ruf als eines der am meisten gefürchteten Spukschlösser der Welt erworben.
    Man musste sich das einmal vorstellen! Die einen flogen zum Mond, und die anderen trauten sich nicht über die Schwelle eines Hauses!
    Träume, Fantastereien, Gespenster – das waren Dinge, an denen er einfach nicht achtlos vorübergehen konnte, ohne sich künstlerisch und persönlich angepisst zu fühlen. Wer an Geister und Dämonen glaubte, gehörte automatisch zu seinen Feinden. Okkultisten, Spiritisten, Satanisten – alles Menschen, die sich von ihren Fantasien vereinnahmen ließen. Man konnte religiöse, ideologische, politische und rassistische Fanatiker getrost in einen Topf werfen. Wenn sein Film beweisen wollte, dass es die tröstende Natur nicht gab, dass das Gute im Menschen nicht existierte, dann musste er auch die Existenz von Geistern und Dämonen widerlegen.
    Das Finale des Films würde eine Nacht im Spukschloss Falkengrund sein.
    Simon freute sich auf die Spinnweben, die trippelnden Ratten, die wehenden Vorhänge, das Knarren im Gebälk, die umherhuschenden Schatten und all das, was einen solchen Ort ausmachte. Sie würden bis in den hintersten Winkel des Gemäuers vordringen, um den Spuk aufzuscheuchen. Würden auch vor Kellern und Dachböden nicht Halt machen. Würden, wenn es nötig wurde, verschlossene Türen aufbrechen und die verstaubten Bilder der Ahnengalerie abhängen.
    Sie würden fluchen und die Familie verspotten, unflätige Lieder singen (sein Repertoire war nicht von schlechten Eltern). Und sie würden kein einziges christliches Symbol und kein Bannzeichen mit sich führen, nichts, um sich gegen die Macht des Spuks zu schützen.
    Eines war klar: Niemand würde sie für ihren Mut feiern. Man würde sie hassen für ihre Kaltschnäuzigkeit, den Menschen ihren romantischen Traum von der ruhelosen Geisterseele genommen zu haben. Die Heimatvereine würden sie ans Kreuz nageln, und die Okkultisten und Wahrsager würden mit den Essigschwämmen

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