Zimmer Nr. 10
über Paula Ney zu erfahren.«
Sie saßen im Café. Halders wollte es so. Der Abstand zum nächsten Tisch war groß genug, nachdem er die Tische ein bisschen verschoben hatte.
»Ich helfe Ihnen gern«, antwortete der junge Mann.
»Was machen Sie beruflich?«
»Äh … ich bin im Augenblick arbeitslos.«
»Wie gut kannten Sie Paula?«
Der junge Mann schien verwirrt. Die Wirkung war beabsichtigt. Nicht jede Frage musste unbedingt gleich beantwortet werden. Jonas schaute sich um, als müsse die Zeugin, die ihn identifiziert hatte, vortreten und erklären, dass alles ein Irrtum war. Aber Nina Lorrinder war gegangen, ohne sich blicken zu lassen, nachdem sie ihn Halders gezeigt hatte.
»Ich hab doch schon gesagt, dass ich sie nicht kannte.«
»Aber Sie haben sich ein bisschen mit Paula unterhalten?«
»Ja.«
»Kennt man sich dann nicht?«
»Na ja …«
»Wie sind Sie ins Gespräch gekommen?«
»Können Sie es nicht etwas langsamer angehen lassen?«
»Geht es Ihnen zu schnell? Haben Sie keine Zeit nachzudenken?«
»Wieso, ich ka…«
»Worüber haben Sie gesprochen, Paula und Sie?«
»Eigentlich über nichts.«
»Ist das üblich?«
»Was?«
»Über nichts zu sprechen? Machen Sie das immer so?«
Jonas schaute sich im Café um, als könnten die anderen Gäste ihn oder besser gesagt Halders hören. Der saß da, lümmelte sich auf den Tisch.
»Wenn es Ihnen hier nicht gefällt, können wir auch zu Ihnen nach Hause gehen.«
»Zu mir?«
»Sie wissen, was ich meine.«
»Ich verstehe … Ihren Ton nicht. Ich habe nichts getan.«
»Sie haben sich nach Paula Neys Tod nicht gemeldet.«
Jonas antwortete nicht.
»Haben Sie gehört, was ich gesagt habe?«
»Ja. Aber … was hätte ich tun sollen? Oder sagen? Ihnen sagen?«
»Sie ist ermordet worden. Wussten Sie das?«
Jonas nickte und murmelte etwas.
»Ich hab Sie nicht verstanden«, sagte Halders.
»Ja. Doch. Ich … habe es gelesen.«
»Wo gelesen?«
»Wo? Zu Hause.«
»In welcher Zeitung?«
»In der … Göteborgs-Posten .« Er sah sich um und dann wieder Halders an. »Glaub ich.«
»Eine Frau, die Sie kennen, wird ermordet. Es war kein Verkehrsunfall. Sie wurde ermordet, Mensch! Es ist fünf bis zehn Minuten Fußweg von hier entfernt passiert. Vielleicht ist es in derselben Woche passiert, in der Sie Paula zuletzt getroffen haben.« Halders kam ihm noch näher. »Vielleicht am selben Tag?«
Jonas zuckte zurück. Halders bemerkte Schweißtropfen auf seiner Stirn. Der Schweiß konnte vom Training kommen, aber der Junge hatte noch gar nicht angefangen. Daraus würde an diesem Abend wohl auch nichts mehr werden.
»Was meinen Sie?«
»Ich meine nichts. Ich frage.«
»In der Woche habe ich sie nicht getroffen.«
»Sie haben die Wochen also genau im Blick?«
»Ich hab gelesen …«
»Sie haben es gelesen, aber nicht reagiert?«
»Doch, ich hab rea…«
»Nein, das haben Sie nicht. Sie haben sich nicht bei uns gemeldet.«
Jonas schwieg.
»Worüber also haben Sie sich mit Paula unterhalten?«
Die Vorspeisenteller waren abgeräumt, das Hauptgericht stand auf dem Tisch. Steinbutt, in Butter zart gebraten, dazu Meerrettich. Simpel und sauteuer. Ein Grand Cru aus Bergheim.
»Wartest du auf Halders’ Anruf?«, fragte Angela.
»Ja.«
»Versuch doch noch ein bisschen was zu essen, mein Freund.«
»Ich bin froh, dass du Verständnis hast«, sagte Winter.
»Ich hab ein paar Fragen, aber ich warte bis zum Kaffee.«
»Wenn wir noch bis zum Kaffee bleiben.«
»Nimm ein Stückchen Fisch, Erik. Sieht der nicht gut aus?«
Er schaute auf den Fisch. Ein ganzer Steinbutt, die Haut teilweise abgezogen, das wunderbare Fleisch darunter, wie ein Seidenlaken unter einem Samtüberwurf. Er hob ein ordentliches Stück auf seinen warmen Teller, streute Meerrettich darüber, beträufelte es mit schäumender Butter. Hierzu passten die gekochten Kartoffeln. In schwedischen Restaurants gab es selten gute Kartoffeln. Kartoffeln waren das Nationalgericht des Landes, aber in Restaurants waren sie meistens miserabel. Sonderbar, dachte er, im Elsass ist das Sauerkraut fast immer perfekt. Er nahm einen Schluck Wein. Ganz zu schweigen vom Wein. Er stellte das Glas ab. Besser, wenn er sich mit dem Trinken zurückhielt. Jeden Augenblick konnte das Handy klingeln und wer weiß was für schlechte Nachrichten bringen. Oder gute. Das floss ineinander. Die schlechtesten waren häufig die besten.
»Hast du schon mit Siv gesprochen?«, fragte Angela.
»Ja, hab ich.
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