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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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wirklich eine gesehen?«, fragte Winter.
    »Ja.«
    »Es könnte doch auch Einbildung gewesen sein. Oder irgendwas anderes. Ein Ast.«
    »Nein.«
    »Wir haben sie jedenfalls nicht gefunden.«
    »Zack hat sie auch gesehen. Er ist fast durchgedreht. Erinnern Sie sich noch an Zack, meinen Hund?«
    »Na klar.«
    Jonas Sandler schwieg.
    »Was ist aus Zack geworden?«, fragte Winter.
    »Er ist verschwunden. Eines Tages war er weg.«
    »Das tut mir Leid.«
    »Sie brauchen nicht höflich zu sein.«
    »Ich meine es ehrlich.«
    »Zack war schon alt.«
    Winter nickte.
    »Ich habe ihn lange gesucht. Ich war ja noch klein. Aber ich habe ihn nicht gefunden.« Jonas Sandler sah Winter in die Augen. »Vielleicht hat er einfach vergessen, wo er wohnte.«
    »Vielleicht.«
    »Waren da nicht Flecken auf den Steinen im Wäldchen?«, fragte der Junge.
    »Darüber kann ich nichts sagen«, antwortete Winter.
    »Da waren also Flecken.«
    »Wo wohnen Sie jetzt?«
    »Nicht weit entfernt.« Jonas Sandler nannte eine Adresse.
    »Wer einmal auf Hisingen gewohnt hat, verlässt die Insel nicht.«
    »Das hab ich schon mal gehört.«
    Der Junge rutschte auf dem Stuhl herum, sprach abgehackt, nervös. Nervöser als gewöhnlich, war Winters Eindruck.
    »Aber nicht jeder weiß, dass es wirklich eine Insel ist, die drittgrößte Insel von Schweden, glaube ich.«
    »Wegen der Brücken und Fähren«, sagte Winter. »Wie geht es Ihrer Mutter?«, fuhr er fort. »Wohnt sie auch immer noch auf Hisingen?«
    »In derselben Wohnung.«
    Winter nickte.
    »Da draußen hat sich nichts verändert. Sogar das Wäldchen gibt es noch.«
    »Haben Sie es Paula Ney einmal gezeigt?«, fragte Winter.
    »Aha, darauf wollen Sie hinaus«, sagte Jonas Sandler.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Sie fragen nach Zack und meiner Mutter und nach früher, nur um die Rede auf Paula zu bringen.«
    Winter betrachtete das Gesicht des Jungen. Er wirkte nicht paranoid. Seine Antwort war eher eine Feststellung.
    »Als ich hier hereinkam, wusste ich nicht, dass Sie es sind«, sagte Winter.
    »Das glaub ich Ihnen nicht«, sagte Jonas Sandler.
    »Haben Sie ihr das Wäldchen gezeigt?«, fragte Winter wieder.
    »Warum sollte ich?« Jetzt sah Jonas Sandler noch mehr aus wie ein Junge, als hätte er sich in den letzten Minuten verändert. Die Gesichtszüge waren unbestimmter geworden und gleichzeitig klarer.
    Winter dachte an den Bericht des Jungen von damals. Er dachte an Paula. Er hatte keine Verbindung gesehen zwischen Paulas Hand und jener Hand, von der Jonas vor achtzehn Jahren erzählt hatte. Bisher hatte er nicht im Geringsten daran gedacht. Warum auch? Er hatte an Ellen Börge gedacht. Das war eine konkretere Rückkopplung an die Vergangenheit. Nein, nicht konkret. Er fand das richtige Wort nicht. Vielleicht gab es keins.
    »Warum sollte ich?«, wiederholte der Junge.
    Winter rauchte vor dem Eingang. Der Nebel hatte sich gelichtet. Auf der anderen Seite der Skånegatan erhob sich die Silhouette des Ullevi-Stadions. Die Scheinwerfermasten ragten in den Himmel wie die aufgegebenen Werftkräne am anderen Flussufer. Auf der Hisingenseite.
    Ich muss rüberfahren, dachte er und blies Rauch in die Luft, die klarer geworden war wie das Gesicht des Jungen im Verhörraum. Er sah in ihm nur den Jungen. Er konnte ihn sich nicht mit einer Frau zusammen vorstellen, nicht so. Ich muss rüberfahren. Nach Hisingen. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht weiß ich es, wenn ich dort ankomme.
    Er hörte jemanden hinter sich rufen und drehte sich um.
    »Was sagt er?«, fragte Halders.
    »Erinnerst du dich an die Martinssons?«, fragte Winter zurück.
    »Nein. Wer ist das?«
    »Die Küche der Martinssons auf Hisingen. Da waren wir vor achtzehn Jahren. Jemand hatte eine Auseinan…«
    »Ja, ja, jetzt erinnere ich mich«, unterbrach ihn Halders.
    »Er hatte sich ins Handgelenk geschnitten.«
    »Hat er gesagt.«
    »Es war sein Blut.«
    »Nicht nur«, sagte Winter.
    »Das war doch alt«, sagte Halders, »irgendeine andere alte Verletzung in der Küche.«
    »Von wem?«
    »Himmel, Erik, wir reden von etwas, das eine Generation zurückliegt.«
    »Die neue Generation sitzt da drinnen. Der Junge. Jonas.«
    »Jetzt komm ich nicht mehr mit.«
    Winter klärte ihn auf.
    »Ich bin ihm damals nicht begegnet«, sagte Halders. »Natürlich erinnere ich mich an die Hand, oder besser gesagt an die Phantasterei des Jungen.«
    »Glaubst du, er hat phantasiert?«
    »Wir haben uns keinen Reim drauf machen können.«
    »Genau wie diesmal«, sagte

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