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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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rauchen würde«, sagte Winter. »Du kennst meine Meinung dazu, Sture.«
    Birgersson stieß ein rasselndes Lachen aus. Es klang, als ob eine Schaufel Kies auf den Fußboden gekippt würde.
    Winter betrachtete seine Silhouette vor dem blassen Licht. Er hatte sie sein ganzes Erwachsenenleben lang gekannt. Schon als Polizeiassistent war er hier drinnen gewesen. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, um was es damals gegangen war. Aber er hatte Angst gehabt. Das gehörte zur Jugend, dass man häufig Angst hatte. Das vermisste er jetzt manchmal. Manchmal machte es ihm Angst, dass er nicht mehr so häufig Angst hatte. Das war nicht gesund.
    »Was gibt’s Neues von unserem Mädchen?« Birgersson drehte sich wieder zum Ernst Fontells Plats um. Er konnte den Verkehr vor dem Präsidium beobachten, der sich darauf zu- und von ihm weg bewegte, Uniformen, Streifenwagen, Privatwagen, Zivilkleidung, Frauen, Männer, Männer mit Hut. Es wirkte, als wäre er persönlich verantwortlich für den reibungslosen Verkehr, rein und raus, als wäre die Überwachung seine Aufgabe. »Hast du schon alle Verrückten überprüft?«
    »Wir sind dabei.«
    »Es werden immer mehr«, sagte Birgersson. Er hatte sich wieder Winter zugewandt. Sein Gesicht verschwamm vor dem grauen Licht, als entfernte er sich bereits. »Als ich hier anfing, konnte man sie mal eben vor der Mittagspause abtelefonieren, alle.«
    »Ich weiß, Sture.«
    »Mehr waren es nicht. Die ganze Bande hatte Platz in dem Filofax da.« Birgersson deutete mit dem Kopf auf seinen Schreibtisch. »So war das Leben vor dem Handy. Vor Beginn des Internetzeitalters. Es war eine wunderbare Zeit.«
    »Ich glaube, das fanden die Verrückten auch«, sagte Winter.
    »Ja, ja, heute haben wir vielleicht bessere elektronische Hilfsmittel, aber das wird dadurch aufgehoben, dass sich die Zahl der Verrückten auf den Straßen verzehnfacht hat. Oder?«
    »Mhm.«
    »Wer ist also in diesem Fall unser spezieller Verrückter?«
    »Ich weiß es noch nicht.«
    »Ist es ein alter Bekannter?«
    »Ich glaube … nicht.«
    »Daran hast du also auch gedacht.«
    »Erinnerst du dich an Ellen Börge?«
    »Hilf meiner Erinnerung auf die Sprünge.«
    »Sie wurde vermisst gemeldet. Irgendwas stimmte da nicht. Wir haben es nie herausgefunden. Sie ist nicht zurückgekehrt.«
    »Börge?«
    »Ja.«
    »Der Name kommt mir bekannt vor.«
    »Gut.«
    »Ich bin alt, aber senil bin ich noch nicht.«
    »Es geht um dasselbe Hotel, dasselbe Zimmer.«
    »Oh, Scheiße.«
    »Ellen Börge, wenn sie es nun wirklich war, hatte dort eingecheckt, kurz bevor sie verschwand.«
    »Und?«
    »Tja, das ist alles. Und dann die Tatsache, dass Ellen Börge nie wieder aufgetaucht ist. Nie zurückgekehrt ist … nach Hause.«
    »Auch daran hast du gedacht.«
    »Ich glaube, sie wollte nicht zurück.«
    »Zurück nach Hause? In ihre Wohnung?«
    »Du erinnerst dich gut an diesen Fall, Erik. Oder hast du deine Erinnerung kürzlich aufgefrischt?«
    »Ich hab noch mal nachgeschaut. Es war ja einer meiner ersten Fälle.«
    Birgersson nickte.
    »Und ungelöst«, sagte Winter.
    »Den du jetzt lösen willst«, sagte Birgersson.
    »Nein, nein.«
    »Mach dir nichts vor, Erik. Ich hab es im Lauf der Jahre im Dezernat schon bei anderen beobachtet. Auch bei dir. Ihr schleppt alle etwas mit euch herum, das euch zu schaffen macht, weil ihr glaubt, ihr habt irgendwas übersehen. Der Fall ist tot, eiskalt, aber ihr versucht das Feuer immer wieder anzufachen.« Birgersson verstummte nachdenklich. »Und dann kommt ein neuer Fall, und ihr fangt an, nach Ähnlichkeiten mit dem alten zu suchen.«
    »Ich habe nicht danach gesucht«, wehrte sich Winter. »Ich hab nur gesagt, dass es Parallelen gibt.«
    »Das ist doch zwanzig Jahre her«, sagte Birgersson.
    »Achtzehn«, korrigierte Winter.
    »Sieh einer an, du hast ja alles unter Kontrolle. Dass nur Paula Ney nicht zu kurz kommt.«
    »Beleidige mich nicht, Sture.«
    »Nein, nein, entschuldige. Aber du verstehst, was ich meine.«
    »Mhm.«
    »Ein Verrückter hat vor achtzehn Jahren etwas mit Ellen Börge gemacht und jetzt wieder mit Paula Ney? Er hat fast eine Generation abgewartet? Das wäre mal was Neues. So was haben wir noch nie gehabt.«
    »Es gibt immer ein erstes Mal für alles«, sagte Winter.
    »Machst du Witze, Erik?«
    »Aber nein«, sagte Winter.
    »Dann finde den verdammten Idioten«, sagte Birgersson.
    »Vielleicht ist er ja dort zu finden«, sagte Winter mit Blick auf den antiquierten Filofax auf Birgerssons

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