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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Noch hatten sie keine Nahaufnahmen. Aber an ihren Bewegungen war etwas, das auf eine gewisse Reife deutete. Es war nicht nur ihr Gang. »Weit über dreißig«, sagte er.
    »Vielleicht über vierzig.« Aneta Djanali nickte.

10
    Sie fanden einen hübschen Ort mit schlechter Beleuchtung. Birgersson wollte es so. »Damit niemand sieht, wenn mir wieder Wasser in die Augen steigt.« Er schaute zur Theke, wo ein Barkeeper ein Weinglas polierte. Außer einem Mann auf einem der Barhocker waren sie die einzigen Gäste. »Wie spät ist es?«, fragte er.
    »Viertel nach vier«, antwortete Winter.
    »Dann nehm ich ein Glas Bier und einen Klaren.«
    »Ist vier der magische Glockenschlag?«, fragte Winter.
    »Ich weiß nicht, ob er magisch ist, aber es ist ein anständiger Glockenschlag für einen ordentlichen Schluck.«
    »Ich halte mich an die sieben.«
    »Bei Whisky, ja. Die Kopfschmerzen möchte ich nicht schon um vier haben.«
    »Die Kopfschmerzen kommen später«, sagte Winter. »Aber das hängt von der Qualität ab.«
    »Was hängt nicht von der Qualität ab?«
    »Wollen wir bestellen?«
    Birgersson sah aus, als hätte er jetzt schon Kopfschmerzen. Er massierte einen Punkt über seinem Auge und starrte den Klaren in seinem Glas an.
    Winter nahm einen Schluck von seinem Bier.
    Birgersson ließ die Hand mit dem Glas sinken und schaute sich um. »Hier bin ich noch nie gewesen«, sagte er. »Eine deiner Stammkneipen?«
    »Nein, nein.«
    »Und so hab ich auch noch nie mit dir gesessen«, fuhr Birgersson fort. »Wir beide allein in einer Bar in der Stadt.«
    »Es heißt, es gibt immer ein erstes Mal für alles.«
    »Wer sagt das?«
    Winter lächelte.
    »Aber man sollte wenigstens alles ein Mal probiert haben«, sagte Birgersson, »außer Inzest und Volkstanz.«
    »Und wer sagt das?«, fragte Winter.
    »Das ist in der Gegend, aus der ich komme, eine alte Volksweisheit.«
    »Und woher kommst du, Sture? Du hast nie davon erzählt.«
    »Es ist nichts mehr da. Also gibt es nichts zu erzählen.« Birgersson hob das Glas. »Dieser Klare sieht verlockend aus.«
    Winter hob sein Bierglas. Er hatte an einen Whisky gedacht, aber es war noch lange bis sieben. Und auf einen Whisky folgte leicht ein zweiter.
    Birgersson nahm einen Schluck und sagte »Aahhh«, stellte das Glas ab und sah sich noch einmal in dem Lokal um. »Hier kann man gut sitzen.«
    »Dann lass uns das tun«, sagte Winter.
    »Du hast doch eine Familie, zu der du nach Hause gehen musst, wenn ich mich richtig erinnere?«
    Winter lachte auf.
    »Hast du nicht erst kürzlich ein Kind bekommen?«, fuhr Birgersson fort.
    »Erst vor einem Jahr.«
    »War es nicht ein Mädchen?«
    »Ja, sie heißt Lilly.«
    »Lilly? Das klingt nach einer alten Tante, obwohl sie erst ein Jahr alt ist.«
    »Vielleicht wird sie einmal eine alte Tante«, sagte Winter.
    »Aber es ist ein hübscher Name.«
    »Ich glaub, er gefällt ihr schon jetzt.«
    »Erinnert irgendwie an Sture«, sagte Birgersson.
    Winter lächelte. »Sie sind alle noch eine knappe Woche an der Costa del Sol.«
    »Aha.«
    »Bist du mal da gewesen?«
    »An der Sonnenküste?«
    Winter nickte. Birgersson war in vielerlei Hinsicht eine Legende im Präsidium, und seine Abwesenheiten umgab ein Geheimnis. Niemand hatte eine Ahnung, wo er seine einsamen Urlaube verbrachte. Wenn sie einsam waren. Birgersson hatte nie eine Familie gehabt, jedenfalls wusste niemand etwas davon, aber Einsamkeit konnte viele Gesichter haben.
    »Vielleicht«, sagte Birgersson.
    Eine angemessen geheimnisvolle Antwort.
    »Besuch uns doch mal im Winter. Und im Frühling.«
    »Nun mal ganz langsam, Erik. Bis zum Frühling ist es noch lange hin.«
    »Ist es das nicht immer?«
    »Das klingt deprimiert. Bist du deprimiert?«
    »Ich glaub nicht.«
    »Es reicht, dass ich es glaube.«
    »Es wird immer wieder Frühling«, sagte Winter. »Klingt das besser?«
    Birgersson lächelte. »Du bist ein komischer Typ, Erik Winter.«
    »Sind wir das nicht alle?«
    »Der Job färbt wahrscheinlich ab«, meinte Birgersson.
    »Vielleicht. Aber wir waren von Anfang an komische Typen.«
    »Oder verrückt. Guck dir Halders an.«
    »Er ist ruhiger geworden«, sagte Winter.
    »Seit du ihm eine verpasst hast, meinst du?«
    »Daran erinnerst du dich?«
    »Als wär’s gestern gewesen.«
    »Es war Herbst«, sagte Winter, »eher Spätsommer.«
    »Es war in deiner Jugend. Prost!« Birgersson setzte das Glas an und kippte den Inhalt hinunter. »Ich habe deinen Antrag auf Dienstbefreiung befürwortet«,

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