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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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nennen.«
    Nein, er wusste es. Die anderen waren Opfer und Täter, Eltern und Freunde und Vermisste. Vielleicht war das Winterhalbjahr an der Sonnenküste ein Traum. Oder es war in Zukunft eine gute Methode, einen Fall noch im Zuge der Ermittlungen abzugeben. Oder die Lösung war nahe, die Erlösung, die Auflösung. Und es war vielleicht, wie er gedacht hatte. Er wusste etwas, obwohl er es nicht wusste, und Halders – es gab da etwas, das sie nicht gesehen, nicht verstanden hatten. Und erst dann würde er über den Wolken geradewegs der Sonne entgegenfliegen.
    In der Nacht hörte er die Sirene erneut, am Ende eines Traums. Im Traum war er jemandem begegnet, der ihm sagte, dass er an der hinter ihm liegenden Kreuzung den falschen Weg eingeschlagen habe. Ein Gesicht hatte er nicht gesehen. Hilf mir, hatte er gesagt. Du musst dir selber helfen, hatte die Stimme geantwortet. Nur du kannst dir helfen. Die Stimme schien wie von einer Silhouette auszugehen. Ich muss Licht machen, hatte er gedacht. Dann kann ich etwas sehen. Diese Stimme kommt mir bekannt vor. Sie gehört zu jemandem, den ich kenne. Sehe ich das Gesicht, kann ich den Fall lösen. Ich werde den Fall lösen, bevor ich zur Kreuzung zurück und den anderen Weg nehmen muss.
    Als er wach wurde, war die Erinnerung an den Traum noch nicht verblasst. Unten heulte die Sirene.
    Er lag wach, die Augen geschlossen. Mit welchem Fall hatte er sich beschäftigt, als er der Silhouette begegnete? Für diese Information war im Traum kein Platz. Oder wer der Fremde war. Obwohl es kein Fremder war.
    Winter richtete sich auf. Er war noch nicht ganz wach. Dies war für ihn keine ungewöhnliche Situation. Sein Gehirn arbeitete, während er schlief, während er träumte. Aber konnten Träume ihm die richtige Wegkreuzung zeigen? Er wusste es nicht, noch immer wusste er es nicht.
    Und nie hatte er das Gesicht gesehen, nach dem er in seinen Träumen suchte.
    Das Sirenengeheul erstarb in der Nacht. Winter drehte sich auf die Seite und nahm die Armbanduhr vom Nachttisch. Viertel nach drei, die Nacht näherte sich dem Morgengrauen.
    Er wusste, dass er nicht wieder einschlafen würde, sondern aufstehen, ein Glas Wasser trinken und vielleicht auf dem Balkon rauchen musste. Es wäre nicht das erste Mal. Und dort draußen wäre er nicht wirklich allein. Auf dem Balkon jenseits des Vasaplatsen hatte er einige Male Zigarettenglut gesehen. Immer in den frühen Morgenstunden.
    Der Holzfußboden war samtig und warm unter seinen Füßen. Er hatte selber vor einigen Jahren in einer Urlaubswoche in der Wohnung alle Böden abgeschliffen und sie in der Woche darauf dreimal lackiert, und war dann direkt in die Sonne gestartet, berauscht von Holzstaub und lebensgefährlichen Ausdünstungen. In der Sonne hatte er den Rausch gegen einen anderen, milden, aber beständigen Rausch eingetauscht.
    Er hatte in der Morgendämmerung gebadet, die allerdings an einem Strand am Mittelmeer ganz anders aussah. Der Mond war größer.
    Angela hatte am Strand nicht anders ausgesehen. Sie war in jeder Beleuchtung schön, gleich zu welcher Stunde.
    Da lebten sie noch nicht zusammen, aber es wurde Zeit. Die Fußböden waren ein Teil davon. Wie so vieles andere. Er wollte nicht mehr allein sein. Die Einsamkeit war nicht mehr seine treue Begleiterin. Das war ihm durch den Kopf gegangen, während er mit der Schleifmaschine über seine einsamen Böden fuhr.
    Über die er jetzt ging. Hier und da lagen Spielsachen.
    In der Küche goss er sich Wasser aus einem Krug ein, in dem Zitronenscheiben schwammen. Wieder hörte er die Sirene. In den letzten vierundzwanzig Stunden hatte sie rekordverdächtig oft geheult. Ihm war nichts von einem größeren Unglück bekannt. Einer plötzlichen Epidemie. Er setzte sich an den Küchentisch und versuchte eine Weile, gar nichts zu denken, aber das misslang. Er dachte an Mario Ney. Wie würde es ihm ergehen, wenn der Schock nachließ? Wie es seiner Frau erging, war am vergangenen Abend deutlich geworden.
    Wer würde Mario Ney dann werden? Wer war er jetzt? An ihm war etwas, das hatte nichts mit dem Schock zu tun. Er verweigerte jegliche Form von Gespräch mit jeglicher Art von Therapeuten. Die einzigen Gespräche, die er nicht ablehnen konnte, waren die mit Winter, und selbst dann waren die Pausen zwischen den Worten groß. In der Familie Ney gab es ein großes dunkles Geheimnis. Vielleicht gab es so etwas bei vielen. Aber solcherart Geheimnisse führten selten zu Mord. Hatte das Geheimnis der

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