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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Winter das Gefühl, auf einer Bühne zu sitzen. Aber er hatte kein Textbuch. Niemand hatte ihm aufgeschrieben, was er sagen sollte. Und was er sagte, war wichtig, vielleicht entscheidend. Was er fragte. Auf diese Weise schrieb er sich seine eigenen Textbücher, basierend auf Erfahrung, Einfühlungsvermögen. Vielleicht auf Mitgefühl.
    »Haben Sie darüber gesprochen?«, fragte er.
    »Jetzt versteh ich gar nichts mehr«, sagte Mario Ney. »Was meinen Sie damit?«
    Winter sah Elisabeth Ney an. Er meinte, ob die Eltern untereinander darüber gesprochen hatten. Aber er wollte es nicht selbst sagen. Er wollte, dass sie es sagten. »Wollte Paula darüber reden?«
    »Nein«, sagte Mario Ney.
    »Wollten Sie darüber reden, Sie und Ihre Frau?«
    »Mit wem? Mit ihr?«
    »Ja.«
    »Nein … Das haben wir nicht getan.«
    »Warum nicht?«
    Mario Ney warf seiner Frau einen Blick zu. Sie schien nicht zuzuhören. Sie konnte ihm nicht helfen.
    »Sie wollte es nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Warum, warum, warum … verdammt viele Warums.«
    »Paula war neunundzwanzig«, sagte Winter. »Wie Sie selbst sagen, hatte sie nie einen Freund. Sie wollte nicht darüber reden. Sie haben sie nie danach gefragt. Sie haben nie darüber gesprochen. Ist es so?«
    Mario Ney nickte.
    »Aber Sie beide müssen doch miteinander darüber gesprochen haben.«
    »Ja … Das kam schon vor.«
    »Haben Sie Paula geglaubt?«
    »Warum sollte sie uns belügen?«
    Winter sagte nichts.
    »Das ist doch nichts, weswegen man lügt? Doch wohl eher im Gegenteil?«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Winter.
    »Verstehen Sie nicht? Warum hätte sie es geheim halten sollen, wenn sie einen Freund gehabt hätte?« Mario Ney sah seine Frau an. »Wir hätten doch nichts dagegen gehabt. Was sagst du, Elisabeth?«
    Elisabeth Ney brach in Tränen aus. Winter konnte nicht erkennen, ob sie über das weinte, was ihr Mann gesagt hatte, oder ob die Tränen schon vorher herausgedrängt hatten. Aber er erkannte, dass sie jetzt Hilfe brauchte, professionelle Hilfe. Er nahm sein Handy aus der Innentasche seines Jacketts.
    Vom Vasaplatsen tönte eine Sirene herüber. Ein Polizeiauto. Winter war hereingekommen, hatte seinen Mantel aufgehängt, sich in die Dunkelheit gesetzt und die Schummerstunde gerade eine Minute genießen können, als die Sirene aufheulte und gleich darauf das Telefon klingelte.
    Das Display konnte er in der Dunkelheit nicht erkennen. Es konnte wer weiß wer sein.
    »Ja?«
    »Hallo, du.«
    »Hallo, Angela.«
    Der Sirenenton wurde lauter, schraubte sich gleichsam an den Häusern empor.
    »Was ist denn da für ein Lärm im Hintergrund? Brennt es irgendwo?«
    »Ein Krankenwagen«, antwortete er.
    »Was machst du?«
    »Im Moment? Ich bin gerade hereingekommen, hab den Mantel ausgezogen und hätte fast zur Whiskyflasche gegriffen.«
    »Du musst erst was essen«, sagte Angela.
    »Ich hab in der Markthalle ein kleines Stück Lammkarree gekauft.«
    »Was hast du heute gemacht?«
    »Eine Frau ins Krankenhaus geschickt«, antwortete er und erzählte.
    Die Sirene entfernte sich über die Aschebergsgatan in Richtung Universitätskrankenhaus.
    »Das Mädchen, diese Paula, muss sehr einsam gewesen sein«, meinte Angela.
    »Wenn es stimmt«, sagte Winter. »Es braucht nicht so zu sein. Ihre Freundin glaubt es nicht.«
    »Und du glaubst, es gibt einen heimlichen Freund?«
    »Wenn es ihn gibt, will ich ihn treffen.«
    »Wie willst du ihn finden?«
    »Früher oder später finden wir ihn«, sagte Winter, »wenn er überhaupt existiert.«
    »Das kann dauern.«
    »Ja, das kann sehr lange dauern. Dies und alles andere. Viel Arbeit.«
    »In drei Tagen kommen wir nach Hause«, sagte Angela.
    »Es ist noch früh genug, um der Klinik Bescheid zu geben.«
    »Was für einen Bescheid?«
    »Dass ich den Job nicht antreten kann, natürlich. Dass du nicht vom Dienst befreit wurdest. Aber das brauche ich denen ja nicht zu sagen.«
    »Angela …«
    »Ich schaffe es auch, die Wohnung wieder zu kündigen. Das ist ganz leicht, weil ich den Vertrag noch nicht unterschrieben habe. Der Termin ist erst morgen.«
    »Ich wusste nichts von einer Wohnung. Davon hast du nichts gesagt.«
    »Ich wollte es dir jetzt erzählen. Und das habe ich gerade getan.«
    »Wo liegt sie?«
    »In Marbella.«
    »Balkon? Terrasse?«
    »Spielt das eine Rolle?«
    »Wir haben einen Plan«, sagte Winter. »An den halten wir uns.«
    »Aber die anderen halten sich möglicherweise nicht dran«, sagte sie. »Ich brauch dir keine Namen zu

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