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Zipfelklatscher

Zipfelklatscher

Titel: Zipfelklatscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hohner
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hat.
    »Habt’s ihr zu viel Geld?«
    »Nein, aber montags haben wir immer zu, weißt du doch. Was kann ich für dich tun?«
    »Ja also, die Nähmaschin von der Liesl hast du doch bestimmt noch, oder? Kannst überhaupt nähen? Netze flicken kannst du doch auch! Bei der Königin Marie ist nämlich der Saum unten und beim Wiggerl ist die Hosen z’lang, um zehn Zentimeter.«
    Sie zieht die Pappdeckel auseinander, zwischen denen es sofort quietschbunt herausquillt wie früher beim Mosi im Schaufenster.
    »Das sind die Kostüme vom König-Ludwig-Freundeskreis in Bad Endorf, da bin ich die zweite Vize-Vorsitzende, ned wahr, und weil wir die Kostüme herrichten müssen für ein Theaterstückel, hab ich mich gefragt, ob du, ich mein, weil doch deine Mama, die Liesl, die hat doch so gut nähen können. Backen allerdings, oh mei…«
    Der Emerenz fällt gerade noch rechtzeitig ein, dass sie was von mir will.
    »… wirklich gut hats nähen können, die Liesl, damals die Fahne für den König-Ludwig-Umzug, also das war wirklich …«
    »Ist ja schon gut, gib her.«
    Ich ziehe die ganze Angelegenheit in den Schuppen, damit ich so schnell wie möglich von der Emerenz wegkomme, und laufe meinem Vater zum Hauptsteg hinterher.
    In den letzten Tagen hat die Natur einen Satz gemacht, als wolle sie den vergangenen Wintermonaten die Zunge herausstrecken, und vom Campanile ist nur noch die bauchige Zwiebelspitze oberhalb der Uhr zu sehen, weil die Linden sich zartes Frühlingsgrün übergeworfen haben. Irgendwie passt das zu der ungeheuer tannengrün duftenden Rasierwasserwolke, die meinen Vater heute umgibt.
    Gemeinsam sehen wir zu, wie der Michi in seiner Eigenschaft als Stegwart der ankommenden Menschenmenge auf der MS Berta eine Eisenbrücke vor die Füße schiebt.
    »Wenns dir a so pressiert, bist selber schuld«, sagt er zu einem besonders nervösen Touristen, als dessen Hand zurückzuckt, weil sie beinahe zwischen Brückengeländer und Schiffswand eingeklemmt wird, »da fahrst am besten gleich wieder zurück.«
    Von ein paar hektischen Besuchern lässt man sich hier nämlich nicht aus der Ruhe bringen. Total entspannt hängt der Michi also das Tau der Absperrung aus, und die Leute strömen an uns vorbei. Erst schnell runter vom Boot und dann unschlüssig, wohin zuerst, die Stimmen ein klein wenig zu laut und aufgeregt. Das machen die Besucher der Fraueninsel oft: erst einmal rumplärren und uns Insulaner dabei von der Seite anschauen, weil sie nicht wissen, ob sie sich den Eingeborenen gegenüber unsicher oder überlegen fühlen sollen.
    »Morgen, Michi.«
    Michi grinst mich an, als ich über das Eisengitter auf den Dampfer gehe. »Servus, Kati. Servus, Boni.«
    Irgendwie sieht er heute anders aus, mein alter Schulfreund.
    »Heute keine wichtigen Termine?«
    »Pschscht!«, legt der Michi erschrocken den Finger auf die Lippen, und sieht schnell zum Kapitän hoch, der ihm aus dem Steuerhaus bei seiner Schwerstarbeit zusieht. »Top secret !«, flüstert er noch, dann dreht er mir ganz emsig den Rücken zu, als würden noch hundert Leute darauf warten, ihm beim Einsteigen ihre Fahrkarten hinzuhalten. Und jetzt sehe ich die große Neuigkeit: Die hinteren Fransen seines Vokuhilas sind weg. Seit ich den Michi kenne, hat er frisurentechnisch so viel Mut zur Veränderung gehabt wie eine Sumpfschildkröte. Wie weit die Veränderung in seinem Styling geht, kann ich aber wegen seiner Chiemseeschifffahrtsuniformmütze nicht erkennen, und bevor ich ihn bitten kann, sie abzunehmen, verschwindet er in seinem hölzernen Steghäuschen, um aus einem knackenden Lautsprecher die Ansage »Passagiere zur großen Rundfahrt bitte rechts anstellen! Mittelgang bitte freihalten!« zu machen.
    »Oben, vorn?«, zieht mich mein Vater jetzt vom Eingang weg und grüßt kurz in alle Richtungen, weil er natürlich alle kennt, die hier arbeiten, und ich folge ihm aufs Oberdeck zu seinem Lieblingsplatz, erste Reihe, erste Bank.
    »Hast mei Joppn?«
    »Natürlich hab ich deine Jacke. Übrigens auch deine Versichertenkarte und eine Brotzeit, und was zum Lesen, wenn du warten musst.«
    Mein Vater nimmt das zur Kenntnis, ohne sich zu bedanken. Weil mich das ärgert, hänge ich noch an: »Ich bin mir vorgekommen wie eine Mama, die ihrem Sohn die Sporttasche packt!«
    Mein Vater ist weiter ungerührt. »Also, ich hab mich ned drum g’rissen, dass du mitfahrst. Zum Doktor gehst aber ned mit eini, oder?«
    »Warum denn nicht?«
    »Weil ich nicht will, dass du mich

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