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Zipfelklatscher

Zipfelklatscher

Titel: Zipfelklatscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hohner
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Erdbeeren kaufen, und dann macht er plötzlich alleine Arzttermine aus. Weißt du, ob Papa jemals zuvor freiwillig zum Arzt gegangen ist?«
    »Nö! Dafür weiß ich noch, wie er sich mit der Kombizange selbst den Backenzahn gezogen hat!«
    »Weil Hochsaison war, und da hat man keine Zeit für eine Wurzelbehandlung!«
    »Und von der Rückzahlung der Krankenkasse sind Mama und er immer mit dem Bus nach Südtirol gefahren!«
    Wir verstummen beide, denn genau aus dem Grund hatte die Mama damals viel zu lange mit der Mammographie gewartet, und dann war der Tumor bereits inoperabel, und die tollste Rückzahlung konnte der Mama nicht mehr das Leben retten.
    »Vielleicht hat er ja was daraus gelernt …«, sagt meine Schwester nachdenklich. »Und wieso soll er nicht allein zum Arzt? Der Papa ist doch kein kleines Kind!«
    »Doch! Nein! Aber er wird jeden Tag wieder mehr zu einem!«
    Ich ärgere mich, dass Fränzi schon wieder nicht auf meiner Seite ist.
    »Lass ihn doch, das macht wirklich nichts, Kati! Sei doch froh, wenn er das selbst in die Hand nimmt! Du beklagst dich oft genug, dass er sich nicht mal selbst die Schuhe zubindet!«
    »Die Pantoffeln anzieht! Richtige Schuhe zieht er schon lange nicht mehr an, wegen seinem Zehnagel!«
    »Dann sei doch froh, wenn er was dagegen unternimmt. Fahr allein in den Großmarkt, setz dich danach in ein Café, geh shoppen, dann hast du wenigstens ein bisserl quality time für dich.«
    Da muss ich jetzt leider schon ein bisserl verächtlich schnauben.
    »Was die Leute in der Stadt immer haben mit ihrer quality time !Wenn’s mal keine Fische mehr gibt im Chiemsee, dann verpacke ich die Inselluft hier in Einweckgläser und schreib Original Chiemseer Quality Time drauf, in verschiedenen limited editions natürlich: Morgenstund, Feierabend, Föhn, Überfahrt, und so weiter, und so weiter, und Schwester Sebastiana verkauft das dann im Klosterladen für prima Bargeld! Ich hab keine Zeit, mich in ein Café zu setzen!«
    »Jetzt komm schon! Für One-Night-Stands im Zimmer Fünfzehn hast du ja auch Zeit!«
    Ich wusste, dass es ein Fehler war, meiner Schwester davon zu erzählen, die kriegt sich nämlich schon seit zwei Wochen gar nicht mehr ein.
    »Die Vorstellung von dir mit Perücke ist auch zu geil! Pass bloß auf, dass dich oben im Hotel keiner erkennt! Das gibt zehnmal mehr Gerede, als wenn du dir einfach einen Typen aus dem Ruderboot mitnimmst!«
    Die Ratschläge meiner Schwester werden immer besser.
    »Im Ruderboot einen aufreißen, so wie du damals den Janni, oder? Seitdem giltst du nicht nur bei der Emerenz als Discoflitscherl und hast einen Ruf weg, den du nie wieder loswirst. Das kann dir wurscht sein, denn du hockst in deinem Glockenbachviertel mit deinem Kind und deinem Superjob, aber ich brauch bessere PR, weil alles eh schon schwer genug ist. Und außerdem werde ich nicht erwischt, weil das natürlich eine einmalige Aktion war!«
    Das klingt weniger überzeugend als geplant, denn ich sehe mich gerade noch einmal vor mir, wie ich auf dem Böckel sitze und den Kopf in den Nacken werfe.
    »Natürlich, nie wieder, logisch!«, sagt deshalb auch die Fränzi in so einem gewissen Tonfall. Aber ich ignoriere das und mache mich auf den Weg in den Verkauf, weil ich heute noch total topentscheidermäßig eine Menge Fisch an den Mann und an die Frau bringen muss.

Am nächsten Montag suche ich unser Ruhetagsschild, während mein Vater es kaum erwarten kann, von der Insel wegzukommen.
    »Kati, jetzt geh weida!«, höre ich ihn vom Uferweg rufen, obwohl wir noch über zwanzig Minuten Zeit haben, und es zum Hauptsteg [16] nicht länger als sechsunddreißig Sekunden sind, mit eingewachsenem Zehnagel vielleicht fünfundvierzig.
    »Ich komm ja schon, ich suche meine Turnschuhe! Und weißt du, wo unser Ruhetagsschild ist?«, schreie ich zurück und ducke mich zu spät, als zwischen weiß baumelnden Feinripp-Unterhosenbeinen graubraune Löckchen auftauchen, weil die Emerenz sich ihren Weg quer durch die Wäscheleine zu uns bahnt. Rückwärts, weil sie wieder ein Paket dabei hat, das aber heute so groß und so schwer ist wie ein voller Umzugskarton.
    »Hängt scho!«, schreit mein Vater zurück.
    »Ruhetag? Da schau her. Und der Boni steht da, gschneizt und kampelt? [17] «
    Die Emerenz richtet sich schnaufend auf, die Hände im Kreuz, und tritt mit ihrem Bad Wörishofener Gesundheitsschuh ungerührt die Schleifspur wieder fest, die sie in unserem frisch gemähten Rasen hinterlassen

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