Zipfelklatscher
könnte James Blunt nicht besser.
»Sag mal, Kati, hat das jetzt sein müssen?«
Der Michi ist mir zum Getränkekühlschrank gefolgt, und hält meine Hand von hinten fest, als ich erschrocken den Griff loslassen will. Täusche ich mich oder steckt er da grade von hinten seine Nase in meine Locken?
»Was soll ich denn mit der Molly?«
»Mei«, versuche ich mich loszumachen, »frisurentechnisch würdet ihr schon mal super zusammenpassen!«
»Ah geh, die Molly, die hat doch gar keinen Esprit. Und außerdem: Ich tät gern was unternehmen, und zwar mit dir allein!«
»Ja, gern«, drehe ich mich um und schaue dem Michi in sein aufleuchtendes Gesicht, »und zwar zum Beispiel nächste Woche die Tonne mit den Fischabfällen rüberfahren! Das hat auf jeden Fall eine ganze Menge Esprit!«
Janni, dem es draußen allein mit Molly wohl zu schwül geworden ist, kommt jetzt rein und nimmt Michi die zwei Weißbierflaschen aus der Hand, die der sich ungefragt aus dem Kühlschrank genommen hat, und will sie wieder zurücklegen.
»Michi, gemma gemma [25] !«
»Genau, ihr geht jetzt heim. Ich muss um vier in der Früh raus.«
Aber der Michi sperrt sich.
»Erst wenn du sagst, wannst mit mir zum Griechen gehst! Oder ins Ruderboot!«
»Und dann? Du saufst ein Weißbier nach dem anderen und außer dir sind nur noch ein paar Seglerspezln da, die hauptberuflich von nix leben oder schon in Rente sind. Nein, das brauch ich nicht, das ist Zeitverschwendung!«
»Jetzt komm halt!«
»Komm im November wieder, wenn du mit mir ausgehen willst.«
Janni hat die Weißbierflaschen inzwischen wieder in den Kühlschrank gestellt, überlegt es sich jetzt aber anders und nimmt sie wieder heraus.
»Michi, du siehst doch, dass die Kati keine Zeit hat. Jetzt kommst mit zu mir in die Werkstatt, ich hab noch einen Film mit dem Stallone.«
Janni sagt »Schdallone« statt »Stallone«, aber dafür, dass er mir Michi vom Hals schafft, kann er die zwei Bier gern mitnehmen. Im Gehen dreht Michi sich aber noch einmal nach mir um und macht das Victory-Zeichen: »Ich bleib dran!«
Und weg sind sie. Auch Molly. Ich setze mich auf die Bank, stelle meinen Wein auf die Karte, und starre auf die roten Stecknadelköpfe. Diese Männersucherei hat mich überhaupt nicht nervös gemacht. Höchstens ein ganz klein wenig. Denn leider ist es durchaus so, dass ich neunundzwanzig bin, und die einzigen ledigen Männer in meinem Bekanntenkreis zwei Inselgurken sind, von denen der eine meiner Schwester ein Kind angehängt, und der andere die hässlichsten Zehen des Universums hat. Und wenn dann mal ein Neuer kommt und länger bleibt, dann ist es gleich so ein hanswurstiger Managertyp wie der Schweizer Lackaffe vom Leutheuser Hans.
What a wonderful world!
Der Band da oben im Hotel sind meine Sorgen wurst. Und ich summe automatisch mit, während ich die Karte vorsichtig zusammenfalte und in die Krimskramsschublade im Küchenbuffet stecke. Passt aber nicht wegen der Stecknadeln. Die ziehe ich aber besser nicht raus, wer weiß, ob nicht Molly morgen wieder vor der Tür steht, und suche für die Karte lieber einen Platz im großen Schrank. Fränzis Karton mit den Dolce&Gabbana-Schuhen liegt ganz unten, unter dem Geschenkpapier, den Glühbirnen und der zusammengerollten König-Ludwig-Fahne, die mir die Emerenz einmal aufs Auge gedrückt hat. Die hohen Schuhe, die ich noch nie anprobiert habe! Auf einen Schlag bin ich so groß, dass mir auffällt, dass ich auf der Wandleuchte über der Spüle dringend mal staubwischen sollte.
Nothing else matters!
Die spielen da oben Metallica?
Ich versuche einen Tanzschritt, der nicht so wackelig ausfällt wie erwartet.
»Bist gut drauf?«
Mein Vater grinst mich an. Ich frage ihn nicht, wo er so spät herkommt, sondern steige schnell einen gefühlten halben Meter tiefer aus diesen Schuhen, bevor er sie sieht, und nuschle nur: »Ich wollt grade ins Bett gehen. Muss nur noch zusperren. Gut Nacht.«
Vom Schuppen aus sehe ich, wie das Licht im Zimmer meines Vater angeht. Ich warte noch ein paar Atemzüge, dann finde ich den großen braunen Karton vom König-Ludwig-Freundeskreis da, wo die Emerenz ihn mir hingestellt hat. Gut, dass ich noch nicht dazu gekommen bin, mich darum zu kümmern! Während ich den Pappdeckel auseinanderfalte, geht das Licht im Haus wieder aus. Gut so. Gute Nacht, Papa. Denn jetzt muss ich es einfach probieren, was soll ich denn auch machen, wenn die Band da oben klingt, als könnte sie was? Mich erst darüber
Weitere Kostenlose Bücher