Zipfelklatscher
Rosenstiele ziemlich ungeduldig in die zu kleine Grabvase pfropfe.
»Aber ja«, antworte ich schuldbewusst und hole tief Luft.
»Sie sind ein gutes Kind. Schwester Sebastiana spricht viel von Ihnen, Sie sind ein Vorbild für all die vielen jungen Frauen, die noch ihr Ziel im Leben suchen. Sie haben Ihres schon gefunden, Ihr Vater kann stolz auf Sie sein.«
Dann macht sie noch ein Kreuz auf meiner Stirn und schwebt von dannen, als wäre sie nur eine Erscheinung gewesen. Nachdenklich sehe ich der wehenden schwarzen Kutte nach. Ja, ich bin wer, das stimmt schon. Auch wenn ich manchmal finde, dass es ganz angenehm wäre, nicht angekommen zu sein und noch andere Ziele im Leben zu haben. Oder zumindest einfach ein bisschen mehr Spaß und weniger Arbeit.
Auf dem Rückweg gehe ich ziemlich schnell an der Hotelterrasse vorbei und bin fast wieder hinter der Hortensienhecke verschwunden, als etwas aufblitzt und mich kurz stehen bleiben lässt. Ein Mikrofonständer und ein Schlagzeug. Offensichtlich eine Band, die gerade ihre Instrumente auspackt. Und die sicher unsäglich peinliche Musik macht. Gut, dass ich mir vorgenommen habe, dass mein kleines Inkognito-Abenteuer mit Nils von Böckel das einzige seiner Art bleiben wird, und mich diese Hochzeitsparty also einen feuchten Dreck angeht.
In unserem Biergarten haben sich der Kraillinger Janni und der Katzlberger Michi schon zur Molly an den Stammtisch gesetzt, jeder ein Weißbier vor sich. Das ist den Weg von der Kühlung zur Kehle sicher nicht allein gelaufen.
»Ihr seid am fleißigsten, wenn es darum geht, euch was zum Saufen zu besorgen!«, motze ich, aber die zwei beachten mich so wenig, wie sie wahrscheinlich ihr Leben lang die Erziehungsversuche ihrer Mütter ignoriert haben.
»Dann kenn ich noch einen in Traunstein«, sagt der Janni gerade und pikst eine Stecknadel in die Karte, »der hat bei uns im Yachtclub ein Segelboot liegen.«
»Wie alt?«, fragt Molly.
»Schönes Holzboot, sagen wir mal, aus den Siebzigern.«
Ich liege halb unter der Bank vor Lachen, aber die Molly hat ungefähr so viel Sinn für Humor wie ihr Vater und hakt nach, ohne die Miene zu verziehen: »Nicht das Boot. Wie alt dein Spezi ist!«
»Zweiunddreißig.«
»Und was arbeitet der?«
»Nix.«
»Wie nix?«
»Mei, Lebenskünstler halt, Hartz vier und ein bisserl schwarz Handys umeinanderschieben.«
»Das geht ned«, sagt Molly entschieden und lässt sich von mir gerne eine Weinschorle nachschenken, »der Papa will einen mit Traditionsberuf. Oder wenigstens mit Festanstellung.«
»Vielleicht noch den Basti, den Schmied?«
»Ah geh, der beißt doch alle Weiber weg, der ist doch immer bloß in der Werkstatt oder irgendwo an einem Altar rumschrauben. Den kannst auch keinem anbieten, so einen Sonderling«, habe ich einzuwenden.
»Busunternehmer?«, fragt jetzt der Michi, Stecknadel im Anschlag. »Ich kenn einen Busunternehmer, fünfunddreißig.«
»Unternehmer, fünfunddreißig, nicht verheiratet?«, frage ich. »Was stimmt denn mit dem nicht?«
»Mei, geschieden ist er halt«, gibt der Michi zu. »Aber unschuldig.«
»Unschuldig geschieden? Wieso?«
»Ja, wegen häuslicher Gewalt. Aber nachdem seine Alte ihn beschissen hat. Also unschuldig.«
»Hm«, beschließe ich, »der ist trotzdem nix.«
Von oben vom Hotel kommt etwas, was wie ein Soundcheck klingt. Ich überlege kurz, ob denn ein zweiunddreißigjähriger Taugenichts und ein gewalttätiger Busunternehmer für mich in Frage kämen. Ergebnis: negativ.
»Das bringt doch nix, die Männer hier in der Gegend sind doch alles Zipfelklatscher [24] !«
Der Michi und der Janni fahren ein bisschen zusammen und schauen mich verletzt an. »Andere wird der Schmuser auch nicht finden!«
»Und du?«, fragt die Molly jetzt mich hoffnungsvoll, »wen kennst du?«
»Wen ich kenne? Tut mir leid, Molly. Ich kenn keine Männer. Außer meinen Vater. Und den Janni und den Michi. Wären die denn nix für dich? Na klar! Warum in die Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah!«
Die Molly blickt mit offenem Mund und allerfeinstem Zahnsalat vom Janni zum Michi und wieder zurück wie ein Kind, das die Eistruhe an der Kasse vom Obi entdeckt hat. Ich gehe lieber mal die nächste Flasche Veltliner holen.
»You are beautiful!«, summe ich mit, während ich die Flaschen mit der Hand prüfe, um die kälteste zu finden. Man kann gegen Coverbands sagen was man will, aber die da oben haben auf jeden Fall einen mit gutem Sänger am Start. Der säuselt, das
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