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Zipfelklatscher

Zipfelklatscher

Titel: Zipfelklatscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hohner
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würde.
    Eigentlich finde ich es total unproblematisch, wenn ein Kerl einen kleinen Pippi hat. Ich weiß, wie launisch Mutter Natur bei der Verteilung unserer serienmäßigen Ausstattung sein kann. Schwänzchenträger lassen sich wenigstens interessante Alternativen zur lustvollen Vereinigung einfallen. Dachte ich zumindest. Aber das selbstherrliche Getue vom Herrn Nadelkünstler finde ich gerade ziemlich grenzwertig.
    »Machste plötzlich auf schüchtern oder was?«
    Überzeugt davon, dass eine Zahnreinigung ein höherer Lustgewinn wäre, als diese gepiercten Lendchen zum Leben zu erwecken, beschließe ich, lieber weiter tanzen zu gehen. Irgendwie hatte ich heute eh nicht so richtig Lust.
    »Gschroamaulada [28] Aff!«, murmle ich noch, und dann bin ich aus dem Fünfzehner wieder draußen, bevor hier wieder etwas brennt, und sei es nur die Luft.
    Die Treppe nach unten hüpfe ich fast trotz aller Vorsicht, so gut gelaunt bin ich wegen der Aussicht auf ein paar weitere Stunden Rockerdisco. Ich bin die Kati, ich mache nur, worauf ich Lust habe, und ich schlaf nur, mit wem ich will.
    Im dunklen Partykeller ist es inzwischen dampfig wie im Kuhstall. Die Musik klingt wie ein Rudel wild gewordener Kettensägen, zu denen jemand mit überkippender Stimme ziemlich unverständliche Texte schreit.
    »WAHWAHWAH – MOTHAFUCKAAA – UAAAAAH!«
    Ich nehme Abstand davon, den DJ zu fragen, wie denn die Band heißt, die er da spielt. Egal. Hauptsache laut und mit viel Bums. Definitiv ist niemand um mich herum noch in der Lage, auch nur ein Mofa zu besteigen, oder ein Ruderboot. Ich selbst mit eingeschlossen.
    Ich finde das alles ziemlich gut und bin saufroh, dass ich nicht versucht habe, im Fünfzehner abermals einen Rittberger zu performen. Ich finde sogar das Barmädel gut, das plötzlich am Rand der Tanzfläche auftaucht, sich auf die Zehenspitzen stellt und mit dem Finger auf mich zeigt. Die will was von mir. Und der fünfte Black Velvet schwurbelt mir dermaßen im Kopf herum, dass ich tatsächlich brav zu ihr hinwackle und gegen die Musik anschreie: »Was gibt’s?«
    Wie blöd kann man sein? Ich hätte durchaus Zeit gehabt, abzuhauen. Ich wäre einfach die Treppe hoch und zur Hintertür hinausmarschiert, in eine wunderbare Chiemgauer Sternennacht hinein, und niemand hätte jemals etwas gemerkt. Hätte mich wieder in Kati Lochbichler verwandelt, mich ins Bett gelegt, meinem Vater dann Frühstück gemacht und den freien Morgen genossen. Stattdessen bekomme ich überhaupt keinen Fluchtreflex, als ich David Krug sehe, der wie aus dem Nichts hinter dem molligen Barmädel auftaucht, gerade als ich mich aus der headbangenden Rockerherde herausgekämpft habe. Anscheinend ist er zur Nachtschicht wieder aufgestanden, total frisch geduscht sieht er inmitten dieser Schweißorgie hier aus. Und als ich ihn sehe, ist sogar plötzlich der Neid weg. Diese blöde Missgunst, das Misstrauen, dass der mir und meinem Business was will: nicht mehr zu spüren. Gerade dass ich ihm nicht um den Hals falle und ihm sage, dass ich jetzt einfach anerkenne, dass er einen verdammt guten Job macht und gut isses. Dabei hätte ich wissen müssen, dass mich laute Musik, Schampus und Bier total unzurechnungsfähig machen, weil das doch von jeher das Ecstasy des Chiemgau ist.
    Das Bärmädel sieht ihren Chef von der Seite an: »Hab ich das nicht gut gemacht?«, fragt ihr Blick. Der nickt ihr zu und nimmt mich am Ellenbogen, und zieht mich in eine ruhigere Ecke. Die sehr feste Berührung seiner Hand an meinem Ellenbogen ist nicht unangenehm, ich bin zu bräsig im Kopf, um etwas Böses zu denken. Stattdessen denke ich mit meinem Arm, der sich über die kühle und kräftige Berührung freut, mein Bedürfnis nach Körperkontakt ist auf jeden Fall noch nicht befriedigt worden heute Nacht. Schade nur, dass ausgerechnet über mir ein Halogenstrahler den Partynebel in Scheiben schneidet und mich anleuchtet.
    »Haben Sie vorher versucht, einen Winnetou Spritz zu bestellen?«
    »Ach«, winke ich ab und versuche mein Gesicht aus dem Schein der Lampe herauszuhalten, »das hat sich erledigt.«
    »Verzeihung, dass ich Sie das jetzt frage, aber ich kenne eigentlich nur eine Person, die hier einen Winnetou Spritz bestellen würde.«
    Die Arroganz ist aus seinem Blick verschwunden, der Herr Krug wirkt irgendwie nachdenklich, vielleicht sogar enttäuscht.
    »Kann ich mal Ihre Einladung sehen?«
    Schade. Ausgerechnet jetzt, wo ich anfing, ihn nicht mehr ganz so unsympathisch

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