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Zipfelklatscher

Zipfelklatscher

Titel: Zipfelklatscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hohner
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sich, ob die fetten Kajalbalken um meine Augen professionell aufgetragen sind oder nicht, und Achseln und Beine rasieren habe ich mir auch einfach mal gespart. Aber zum Rumlungern hat sich die Rockerbraut Wenke Fischer sicher nicht in eine knarzende Motorradhose geschmissen, und ich mache einen Vorstoß, um die Lage zu sondieren.
    »Also, ich würd jetzt gern mal n bisschen abhotten, zur Verdauung! Ihr nicht?«
    »Yo, aber später. Guckstu in den Keller.«
    Aha, hier spielt also die Musik! Unten schlägt mir dicke Luft entgegen, feuchtwarm wie im Tomatengewächshaus von der Emerenz. Diese große Kellerraum, in dem alte Eichenfässer lagern und der früher als Proberaum für Jannis Band hergehalten hatte, bebt vom Gegniedel elektrischer Gitarren und ich muss auf meinem Weg zur Bar wild kreisenden Rockermähnen ausweichen. Also, eines muss man ihm lassen, der feine Herr Krug hat echt gute Ideen, wenn es darum geht, die Sperrstunde zu umgehen. Denn hier im Keller kann man rocken bis in die Puppen.
    »Kann ich auch so was zu trinken haben?«, frage ich das Mädel, das gerade wieder ein Tablett mit dem schwarzen Zeug fertig macht, das ein bisschen aussieht wie kalter Kaffee.
    »Was ist das denn?«
    »Das ist ein Black Velvet.«
    Der Tätowierer von vorhin stellt sich neben mich und schnappt sich auch so ein Glas. Sein Arm ist verschwitzt, als er sich an mich drückt wie ein Saugnapf und erst wegrutscht, als ich mich zu ihm umdrehe.
    »Champagner mit Guinness. Das knallt!«
    Ich finde, mein Engagement muss nicht so weit gehen, dass ich auf jeder Party jedes Gesöff mittrinke, ich hasse Biermixgetränke sowieso, und wenn sie noch so fein daherkommen. Zumal ich hier schon Besseres probiert habe.
    »Ich weiß ja nicht. Kann ich vielleicht einen Winnetou Spritz haben?«
    Das Mädel schaut mich an.
    »Winnetou Spritz? Das haben wir hier nicht.«
    Ist das die richtige Antwort für einen durstigen Gast? Sicher nicht! Ich notiere mir, dass das Barpersonal auf jeden Fall noch geschult werden muss, fast erleichtert, dass ich endlich einen Fehler im System entdeckt habe.
    »Hab ich aber hier schon getrunken!«
    »Oh? Dann muss ich mal den Chef holen!«
    »Ach, lassen Sie mal«, sage ich erschrocken, die soll den Schweizer mal schön schlafen lassen, ein Black Velvet wird schon gehen. Ich hebe mein Glas, um mit dem Tätowierer anzustoßen.
    »Was hast du denen denn grad gestochen? Ein Herzerl?«
    »Nä. Ich hab ihnen die Arschbacken zusammengepierct, damit die Carmen nicht nochmal davonlaufen kann.«
    »Echt?«, frage ich wirklich erschrocken.
    »Nä. Scherz!«
    »Puh! Wo hat sie denn gesteckt, die Braut?«
    Der Rocker legt die totenkopfberingte Pranke um mich, begleitet von Smoke on the water . Definitiv der ruhigste Song, seit ich diesen Keller betreten habe.
    »In einem total verrußten Fetischkeller war sie versteckt, bei einem Herrn Lechner. Krasse Leutchen hier auf dieser Insel.«
    Na, dann müsste ich ihm ja hochsympathisch sein, auch wenn ich ihm jetzt nicht auf die Nase binden werde, dass ich auch so einen verrußten Fetischkeller besitze wie der Lechner Sepp, und dass bei uns da nur Renken aufgehängt werden und sonst nix. Ich reihe mich ein zwischen die ganzen Headbanger, und glaube, dass der Tag doch noch eine glückliche Wendung nehmen kann. Wenn sie später auch noch Guns’n’Roses spielen, dann ist der Abend für mich sowieso gebongt. Und als der Tätowierer mir zuprostet, proste ich einfach mal zurück. Anscheinend will auch der heute Abend keine Zeit verlieren, und das finde ich absolut in Ordnung.

Eine Stunde später schaue ich auf den Typen herab, der da in Totenkopfsocken und Feinrippunterhemd vor mir liegt, die Arme hinter dem kahlen Schädel verschränkt. Ich hatte zwar nicht unbedingt erwartet, stundenlang in den Arm genommen zu werden, aber sollte sich hinter dieser harten Biker-Schale doch irgendwo ein weicher Kern verstecken, dann hätte er den Charme eines durchgekauten Kaugummis. Hätte ich mir gleich denken können, dass mir die Zirbelsuite kein Glück bringen würde.
    »Na los, Puppe! Mach ihn größer!«
    »Wie bitte?«
    Mir wird leider klar, dass Fränzi und ich zu sehr in Klischees gedacht haben, was Charakter und körperliche Ausstattung eines Hell’s Angels angeht. Macho-Gehabe kann ich zwar bestätigen, aber das was der Typ hier zwischen den Beinen hat, das würde mir glatt durchs Stellnetz flutschen. Wenn nicht das ganze Blech, das er sich durch den Sack gestochen hat, darin hängenbleiben

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