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Zipfelklatscher

Zipfelklatscher

Titel: Zipfelklatscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hohner
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einziges Tattoo habe. Und der Krug als Geschäftsführer soll mich rausschmeißen, denn ich würde mir Typen aufreißen, zu denen mit aufs Zimmer gehen, um mir wer weiß was zu erschleichen, und er wäre mir gerade rechtzeitig noch einmal auf die Schliche gekommen!«
    »Oh.«
    »Und dann hat mich der Krug angeschaut und gesagt, sein Hotel wäre kein sexueller Selbstbedienungsladen, sondern auf dem Weg zum leuchtenden Stern in der Hotelgastronomie, und da würden solche promisken Freibeuterinnen wie ich nicht dazu passen.«
    Meine Schwester lacht.
    »Du eine promiske Freibeuterin? Und ich habe es nur zum Discoflitscherl gebracht! Der Mann kann auf jeden Fall mit Worten umgehen.«
    »Na ja, das kann ich auch. Ich hab dann nämlich gesagt, dass er sich gar nicht aufregen soll, und dass er wahrscheinlich eh einen Swingerclub aus dem Hotel machen will, es weiß doch jeder, dass so penible Pünktlichkeitsfanatiker wie er heimlich auf so was stehen.«
    Meine Schwester saugt die Luft zwischen den Zähnen ein und sagt:
    »Also, Vorurteile hast du jedenfalls keine, du auf deinem Felsen!«
    »Jetzt fang du nicht auch noch an, wer hat mir das denn gleich weitererzählt mit dem Rocker und dem Riesengerät? Da war auch nix dran!«
    »Scheiße, da hast du recht. Entschuldigung.«
    Ich seufze.
    »Passt schon. Eh zu spät. War das gerade der Xaver im Hintergrund?«
    »Ja, er hat die Breze auf dem Sofa verteilt. Nachdem er sie gegessen hat.«
    »O Mann.«
    Wir schweigen. Ich habe den Kopf wieder auf meine Knie gelegt, mein Magen ist immer noch ein Stein aus Scham und Peinlichkeit, und meine Schwester atmet leise ins Telefon und unternimmt nicht einmal etwas, um ihr Sofa von der teilverdauten Breze zu befreien.
    »Was willst du jetzt tun? Dich beim Hotel entschuldigen?«, fragt sie mich nach einer Weile und klingt ziemlich müde.
    »Ja. Ich glaube schon. Sollte ich, oder?«
    »Ja.«
    »Warum bist du denn jetzt eigentlich so deprimiert? Ich hab dich angerufen, damit es mir besser geht, nicht damit es dir schlecht geht!«
    Meine Schwester seufzt.
    »Ja, aber ich bin jetzt einfach erschrocken, weil ich mir denke, dass wir beide eventuell das gleiche Problem haben. Dass wir einfach zu schnell sind mit unseren Urteilen. Vielleicht sind Frauen das allgemein, und Menschen, die auf einer Insel wohnen, erst recht. Vielleicht sollten wir zwei ein bisschen vorsichtiger durchs Leben gehen, bevor wir jemanden verurteilen.«
    »Weißt du was? Das hab ich mir auch schon gedacht. Genau in dem Moment, als mich der Krug erwischt hat, habe ich mir gedacht, dass ich ihm vielleicht unrecht getan habe und er gar nicht so ein Klischee-Streber ist, wie ich gedacht habe.«
    »Möglicherweise sind die alle gar nicht so schlecht. Vielleicht sollte ich auch den Janni mal wieder anrufen. Der Xaver hat seinen Papa seit fünf Jahren nicht mehr gesehen. Weil ich davon überzeugt bin, dass der Janni ein Arsch ist. Und eigentlich immer davon überzeugt war, aus, Äpfel, Amen. Aber wer weiß – vielleicht bin ich einfach viel zu schwarz-weiß in meinem Denken? Weil ich auch von der Fraueninsel bin und man sich da einfach abgrenzen muss, sonst kommen sie alle und dann hast du selbst keinen Platz mehr. Glaubt man wenigstens. Aber was, wenn das gar nicht stimmt?«
    »Hm. Ich hab jedenfalls immer total Angst, dass mich irgendjemand umkrempeln will und deshalb mach ich lieber alles alleine. Und beiß jeden weg, der mir zu nahe kommt.«
    »Ich weiß, an wen du denkst. An den armen Michi, oder?«
    Ich denke wirklich gerade an Michi. An seine Wandlung zum Mike. An die Rose. An die blaue Tonne. Dass er sich Sorgen macht.
    »Genau. Wenn du schon sagst, dass es Zeit ist, mal zu sehen, ob du dich mit dem Janni nicht wieder annähern kannst – warum schubse ich eigentlich den Michi-Mike die ganze Zeit von mir weg?«
    »Kati, ich muss! Der Xaver! Der Teppich!«
    »Sag ihm gute Besserung!«, rufe ich noch ins Telefon, aber Fränzi hört mich nicht mehr.
    »Okay. Hausaufgabe: mich beim Krug entschuldigen. Und mit dem Michi-Mike essen gehen«, sage ich vor mich hin und schlage die Bettdecke zurück, um mir endlich einen Kaffee zu machen. Am besten zuerst essen gehen. Und dann entschuldigen. Oder umgekehrt.

Als Kind haben meine Schwester und ich immer ein Spiel gespielt – wir legten alle vier Hände aufeinander, und wessen Hand die unterste war, der musste sie herausziehen und oben drauflegen. Und der Nächste: unten rausziehen und oben drauf. Nächste Hand, und immer schneller

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