Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zipfelklatscher

Zipfelklatscher

Titel: Zipfelklatscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hohner
Vom Netzwerk:
und immer schneller, bis wir wegen Fingersalat aufhören mussten. Genau das machen mein Kopf und mein Bauch gerade mit meinen zwei neuen Vorsätzen. Zuerst mit Michi-Mike essen gehen! Oder zuerst beim Krug David entschuldigen? Immer wenn ich mich für eine dieser Möglichkeiten entschieden habe, kommt die andere von unten hervorgeflogen und legt sich oben drauf. Eigentlich würde ich gerne zuerst mit dem Michi-Mike essen gehen, das ist nicht halb so unangenehm. Aber da rührt sich nichts bei mir. Nicht im Bauch, nicht im Kopf. Kein: Au ja! Sondern: Warum gleich noch mal habe ich gerade gedacht, dass das eine prima Idee ist? Ach so, weil ich herausfinden will, ob der Michi-Mike nicht vielleicht ein interessanterer Kerl geworden ist, als ich gedacht habe. Denke. Gedacht habe. Gut. Also beschließe ich, gleich nachher den Michi-Mike anzurufen.
    Zehn Sekunden später werfe ich alles über den Haufen: Ich sollte unbedingt zuerst ins Hotel gehen und David Krug suchen! Weil ich nicht in Ruhe essen gehen kann, bevor ich nicht die Hotelblamage ins Reine gebracht habe. Aber dann stelle ich mir vor, wieder vor dem oberschlanken Schweizer zu stehen und ihm vielleicht sogar in die Augen zu sehen, und wenn der dann wieder so enttäuscht schaut, mit diesen blauen Augen und den dunklen Augenbrauen darüber? Was sag ich dann? Tut mir leid, ich mach’s nie wieder? Ich hab’s ja nicht bös gemeint? Ich habe niemandem etwas geklaut, ich wollte nur ein bisschen Spaß haben? Was will ich eigentlich erreichen? Dass der wieder bei mir Fisch bestellt? Dass er mir einen Passierschein gibt für die nächsten zehn Hochzeiten, inklusive Weggucken des gesamten Personals? Ein Vögel-Abo, von ihm abgesegnet? Das kann es nicht sein. Ich muss da hoch, damit er mich wieder so ansieht wie vor der Party. Als wir das letzte Motorrad in Reih und Glied gestellt hatten. Und er mich verschwitzt angelacht und mit diesem kratzigen Akzent gesagt hatte: »Danke! Ich bin der David!« Genau so soll er mich wieder ansehen! Und nicht denken, ich hätte mich wahllos in Hotelbetten herumgewälzt, weil …, weil … Warum eigentlich? Weil ich Sex haben wollte? Das stimmt nämlich leider. Ob er das wohl geglaubt hat, dass ich dem Tätowierer die Brieftasche klauen wollte? Keine Ahnung. Ich kann unmöglich zum Hotel hochgehen, es ist einfach zu kompliziert.
    Also doch lieber zuerst mit dem Michi-Mike essen gehen?
    Und alles geht wieder von vorne los.
    Ich schnappe mir meine Gummistiefel und meine Angel und beschließe, in der Schafwaschener Bucht auf Zander zu gehen. Denn das Wetter ist genauso, wie diese Fische es mögen. Leicht diesig, aber warm. Aber für so eine entspannte Angelegenheit wie das Angeln fehlt mir heute die Ruhe. Wahrscheinlich hocken ein paar kapitale Zander direkt unter meinem Boot und lachen sich in die Flosse, weil ich ständig herumwackle. Nach zwanzig Minuten Herumgehampel beschließe ich, lieber ein Netz zu setzen, und fahre raus aus der Bucht, Richtung Übersee. Aber als ich von Weitem einen weißen Plastikkanister und zwei rote Bojen dümpeln sehe, weiß ich, dass ich nicht die Erste bin, die heute auf die Idee kommt, hier zu fischen. Das stinkt mir, dabei ist der See groß genug für alle, und ich habe mich noch nie mit einem Kollegen über ein Revier gestritten, aber heute habe ich irgendwie das Gefühl, alle sind gegen mich, inklusive See. Ich muss also weiter, entscheide mich für die Chiemgauer Bucht, setze erst den verrosteten Eisenklotz, um das Ende in der Tiefe zu halten, und danach die Boje, um den Anfang zu markieren. Von meinem Vater habe ich das System übernommen, zwei Netze aneinander zu hängen, und so brauche ich dreihundert Meter See für mein Vorhaben. Das grüne Nylongewirr mit den kleinen roten Schwimmern drin wird langsam aus seinem schwarzen Plastikbottich ins Wasser gelassen, während das Boot in Zeitlupentempo in die andere Richtung gleitet. Immer wieder muss ich den Motor in den Leerlauf schalten. Fischen kann eine langsame, monotone Arbeit sein, die ich genau deswegen mag. Eigentlich. Und die ich gerne allein mache. Das Boot ist nicht groß, vier Schritte längs und ein Schritt in die Breite. Stunde um Stunde Netze ins Wasser, Netze aus dem Wasser. Es gibt Fischer, die nehmen sich ein Radio mit auf den See, und mein Vater würde ohne Nopi den Außenborder wahrscheinlich nicht einmal mehr anlassen. Vielleicht kommt das bei mir noch, wenn man zehn Jahre lang dreihundert Tage vor dem Morgengrauen aufsteht und vor der

Weitere Kostenlose Bücher