Zipfelklatscher
Genau, um zu feiern. Unter Leuten, die ich nicht kenne. Und ein bisschen auch, um Sex zu haben. Mit Männern, die ich nicht kenne. Aber wie soll das gehen, zusammen mit dem feinen Herrn Krug? Ich lache mir jemanden an, er lacht sich jemanden an, und danach fahren wir wieder gemeinsam nach Hause?
»Ich habe gar keine richtige Lust«, sage ich leise, mehr so vor mich hin, aber David, der gerade vor mir geht, dreht sich sofort um und bleibt am Uferweg stehen.
»Was ist denn, Kati? Bis du müde? Bist du traurig?«
»Nein, nein. Lass uns gehen. Mein Boot steht da vorn.«
»Ich weiß. Der Alukahn mit den 50 PS.«
»Woher weißt du denn so was?«
»Ach, von deiner Nachbarin, der netten Frau Schöngruber. Ich habe mal mit ihr geredet, wie das so ist als Fischerin mit einem eigenen Betrieb und einem alten Vater zu Hause, und womit du so auf dem See unterwegs bist, und dann hat sie mir eine kleine Tour gegeben. Letzte Woche, als du in München warst.«
»Ach wirklich?«, frage ich, wachsam geworden. »Aber in der Spülküche warst du nicht zufällig und hast dich umgesehen?«
»Nein, wieso?«, fragt er zurück. »Sollte ich?«
»Nein, ich meine nur. Ach, weil, ach egal, jetzt kann ich es dir auch erzählen. Ich habe nicht nur wegen Urlaub geschlossen, sondern auch, weil mich jemand bei der Gewerbeaufsicht angezeigt hat. Wegen Schimmel. Und irgendjemand muss das ja gewesen sein.«
»Oh. Und da hast du mich im Verdacht?«
David bleibt stehen und klingt ein wenig verletzt.
»Im Prinzip habe ich jeden im Verdacht und keinen, weil ich mir gar nicht vorstellen kann, dass jemand so etwas tut. Aber weißt du, ich habe mir auch nicht vorstellen können, dass mich jemand in einem Fernsehbeitrag in die Pfanne haut. Und dass mir plötzlich eine gehobene Fischküche die Kunden wegschnappt.«
Das war jetzt definitiv ein Seitenhieb, und Davids Augenbrauen stoßen über der Nasenwurzel zusammen, als er in perfektes Hochdeutsch verfällt und sagt:
»Kunden weggeschnappt, soso. Aber von wem habe ich denn eine Absage bekommen, als ich wegen der Hechtbestellung bei dir angefragt habe? Du hast nicht den Eindruck gemacht, als hättest du es nötig, auch nur einen einzigen Fisch zu verkaufen. Im Übrigen warst du die Erste, bei der ich angefragt habe, aber muss ich mich dermaßen kratzbürstig abspeisen lassen? Dein Kollege hat das wunderbar hinbekommen, aber es ist nicht so, dass du nicht deine Chance bekommen hast. Und nur, weil wir jetzt zusammen hier stehen, kann ich nicht den Herrn Lechner anrufen und sagen, sorry, aber ich will jetzt doch wieder die Frau Lochbichler haben als Lieferantin.«
Bitteschön, da haben wir den Salat. Das kommt davon, wenn man Berufliches und Privates vermischt, dann steht man mitten in der Nacht am Ufer des Chiemsees und funkelt sich an.
»Pff, ich würde schon ohne euch als Kunden auskommen. Aber das ist ja nicht alles! Du kommst da angefahren aus deiner tollen Schweiz, weißt alles besser und lockst die Gäste, die eigentlich bei mir im Biergarten essen würden, zu dir hoch mit deinen Schaumsüppchen und deinen Variationen vom Blablabla!«
David stellt einen Fuß auf das umgekippte Ruderboot, das ein Segler am Eingang unserer Mole deponiert hat, stützt den Ellbogen aufs Knie und schaut mich eine Weile einfach nur an. Obwohl es inzwischen wohl fast Mitternacht ist, kann ich ihn ganz gut erkennen, die Nacht ist hell, der See ist eine große schwarze Fläche mit silbernem Mondgeglitzer. Ist mir aber total wurst, wie gut dieser Mann sich gerade in dieser romantischen Umgebung macht, denn ich bin sauer, jawoll! Auch David spricht immer noch hochdeutsch, als er sagt:
»Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, warum du dich so aufregst. Du bist traditionelle Fischerin, ich manage ein Hotel mit gehobener Küche. Das schließt sich doch gegenseitig nicht aus. Eigentlich sollte doch jeder von uns in seiner Nische glücklich sein, oder?«
»Ja schon. Aber, aber …«
Muss das jetzt sein, dass mir so heiß wird hinter den Augen? Was ist das bloß, dass mir bei dem Kerl immer die Gefühle so hochkochen, mal in die eine, mal in die andere Richtung?
»… Aber, klar bin ich eine traditionelle Fischerin! Das habe ich mir auch so ausgesucht, und eigentlich ist das auch gut so.«
»Abrrr?« Dass David jetzt wieder ins Schweizerische verfällt, lässt mich irgendwie noch mehr mit den Tränen kämpfen.
»Aber ich bin auch jung! Ich würde auch manchmal gerne etwas Neues machen. Nicht immer nur Tradition und so,
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