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Zipfelklatscher

Zipfelklatscher

Titel: Zipfelklatscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hohner
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David hat wieder diese amüsierten Falten in den Mundwinkeln, er neigt sich an mein Ohr und schreit: »Merci!«
    Ich weiß jetzt nicht genau, wofür er sich eigentlich bedankt, dafür, dass ich ihm zu einem kurzweiligen Abend verhelfe wahrscheinlich, aber ich frage nicht nach, und bin froh, dass er ansonsten nichts mehr sagt. Er legt seine Hand auf meine und die letzten Meter der Fahrt steuern wir gemeinsam. Es gibt nur uns und den nachtschwarzen See, das silberne Glitzern des Mondes liegt auf dem Wasser wie ein Rallyestreifen, auf dem wir Richtung Berge fahren.

Am Ufer vor dem Seeblick laufen eine Menge Gestalten durch die Nacht, Fackeln flackern um die Terrasse, an der Anlegestelle schaukeln die Segel- und Motorboote dicht gedrängt.
    »Mist. Da sind wir nicht die Ersten! Wir können nicht mehr anlegen!«
    »Aber sicher können wir anlegen«, sagt David, und bevor ich noch »Spinnst du?!« sagen kann, hat er mich zur Seite geschoben und das Steuer ganz übernommen. In einem eleganten Bogen umfährt er den übervollen Steg und ein Stück am dunkel bewachsenen Ufer entlang – das »Schloss Seeblick« steht nämlich mitten im Nirgendwo und ist das einzige Haus weit und breit.
    »Was machst du?«, frage ich beunruhigt, denn ich lasse mir wirklich nicht gern das Steuer aus der Hand nehmen. Statt einer Antwort dreht David das Gas voll auf und fährt mit Karacho direkt aufs Ufer zu. Ich kneife vor Schreck die Augen zusammen und reiße sie gleich wieder auf, um wenigstens sehenden Auges ins Unglück zu rennen.
    »Halt!«, schreie ich und will ihm in den Arm fallen. »Die Schraube! Du ruinierst mir die Schraube!«
    »Sicher nicht«, antwortet David, völlig unbeeindruckt davon, dass ich an seinem Oberarm hänge, klappt mit einem Handgriff den Motor nach oben und die Schraube aus dem Wasser. Als das Boot mit einem Knirschen aufläuft, springt er nach draußen auf den kleinen Kiesstrand, schlingt die Bootsleine mit einem schnellen Handgriff um einen Baumstumpf und streckt galant die Hand aus, weil ich im Boot direkt neben ihm zum Stehen komme.
    »Können wir?«
    »Wir können!«, keuche ich, bis in die Haarspitzen voll mit Adrenalin, und vergesse völlig, den langen Rock zum Aussteigen hochzuheben. »Aber so was machst du nicht noch einmal! Hier bin ich der Kapitän!«
    »Aber sicher«, antwortet David und fängt mich auf, als ich ihm entgegenfalle wie ein gefällter Baum, weil ich mich völlig im Rocksaum verfangen habe. Ich, eine Fischerin, schaffe es nicht, aus meinem eigenen Boot auszusteigen!
    »Du riechst gut«, sagt er dann und lässt mich einen klitzekleinen Moment länger als nötig über seiner Schulter hängen. Als er mich auf den Boden stellt, bin ich froh, dass sich der Rock bauscht, und mich die kühle Nachtluft an meinen Beinen ein wenig abkühlt, weil ich schon wieder kurz davor bin, die Fassung zu verlieren. Was denkt der sich eigentlich?
    »Und außerdem habe ich selbstverständlich einen Motorbootführerschein, ich hatte nämlich am Zürcher See eine Riva liegen.«
    Eine Riva, das weiß ich vom Janni, ist so ziemlich das Nobelste, was auf einem See herumschippern kann, und ich fange schon wieder an, mich zu verteidigen.
    »Ah. Gegen so ein Mahagoniboot kann so ein Fischerboot natürlich nicht mithalten!«
    »So habe ich das nicht gemeint, ich wollte dir nur davon erzählen. Kannst du mal etwas auch nicht als Angriff empfinden?«
    Wir stapfen das Ufer entlang, auf die Lichter des Schloss Seeblick zu, das langsam näher kommt, und eine ziemliche Spannung liegt in der Luft. Ich finde nämlich sein Anlegemanöver von vorher eindeutig übergriffig.
    »Ich bin das nicht gewohnt«, breche ich jetzt das unbehagliche Schweigen, »dass da einfach einer daherkommt und mir die Sachen aus der Hand nimmt. Ehrlich gesagt, ich hasse das!«
    »Ja, ist gut. Versteh ich.«
    Wie bitte? Ist gut? Eigentlich haben wir jetzt schon mehrmals einen Punkt erreicht, an dem man hierzulande mit einem schnaubenden »Ausgredt is!« die Diskussion abbricht und sich Türen schlagend entfernt, zeitnah ein paar Bier reinpfeift, ungerecht behandelt fühlt und so schnell nicht wieder miteinander spricht. Dieser Typ allerdings, der scheint echt gerne die Sachen auszudiskutieren. »Irgendwie habe ich das Gefühl, dass du manchmal ein wenig überreagierst«, sagt er jetzt vorsichtig, »Deine Nachbarin hat auch gesagt …«
    »Dass ich eine Zwiderwurzn bin?«
    »Psst!«, sagt David und legt den Finger an die Lippen, denn in der Dunkelheit

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