Zipfelklatscher
tauchen ein paar glühende Punkte auf, Leute aus dem Schloss Seeblick, die sich zum Rauchen an den See gestellt haben, und verzichtet auf eine Antwort.
»Wir sollten uns langsam eine Strategie überlegen«, flüstert er stattdessen in mein Ohr, »wer wir sind, und wer uns eingeladen hat, und eine Uhrzeit ausmachen, wann wir uns wieder am Boot treffen, um gemeinsam heimzufahren. Bei dir kann man ja nicht sicher sein, ob du einem nicht verlorengehst auf einer Party, das habe ich schon mitbekommen.«
»Wer sagt denn, dass ich heute verloren gehen will?«
»Willst du nicht?«, flüstert er zurück und schaut mich an.
»Nein, wieso, ich bin doch mit dir hier«, flüstere ich zurück, und weil mir schon wieder so warm wird, füge ich noch schnell hinzu: »Ich meine, das wäre ja auch total kompliziert mit dem Boot und so, später.«
»Aber sicher. Dann gehen wir einfach rein, halten uns im Hintergrund, bis wir sicher sind, dass wir niemand kennen, trinken was, und dann sehen wir mal, was passiert.«
»Genau!«, sage ich und strecke das Kreuz durch, um mit David an der Hand an den Gästen vorbeizugehen. Alles Menschen, die ich noch nie gesehen habe. »Servus!«, sage ich bestimmt und drücke Davids Hand ein wenig, und auch er sagt »Servus!«, praktisch akzentfrei. Ein »Servus! Ehre! Griasseich!« kommt vielstimmig zurück, und sofort, aber wirklich sofort, fängt die ganze Sache an, mir irrsinnig Spaß zu machen. Ich schaue zu David hoch, breitschultrig geht er neben mir her in seinen Großvater-Schuhen. Selbstbewusst und wie selbstverständlich marschieren wir wie ein eingefleischtes Trachtlerpaar bis zum Terrasseneingang, wo David mich zur Bar dirigiert. Dort steht der gleiche Kellner, der damals den Michi-Mike und mich bedient hat, aber es sieht nicht so aus, als würde er mich erkennen, während sich David schon zu ihm hinüberbeugt.
»Zwei Winnetou Spritz bitte!«
»Ha?«
»Passt schon. Zwei Helle.«
Wir schaffen es gerade noch in einen dunklen Erker und brechen fast zusammen vor Lachen, bis David meinen Kopf nimmt und mir mit den Daumen zart unter den Augen entlangfährt, um mir die zerlaufene Wimperntusche wegzuwischen. Sofortige Hitzewallung bei mir.
»Sollen wir uns schnell umschauen, nicht dass wir doch jemanden kennen?«, rufe ich noch zu ihm hoch, und der meint: »Gute Idee! Lass uns hier damit anfangen!«, und zieht mich noch weiter in den schummrigen Erker hinein.
»Und, wie findest du die Musik?«, frage ich schnell und trete einen Schritt zurück, um ihn wieder auf Abstand zu bekommen.
»Super«, sagt er und geht mir einen Schritt nach. »Willst du tanzen?«
»Aber sicher!«, pokere ich. »Das ist aber ein Landler! Kannst du denn Landler tanzen?«
»Sicher kann ich das!«
Bei dem wundert mich allmählich gar nichts mehr.
»Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich tanzen will«, sagt er so nahe an meinem Gesicht, dass ich das trotz der Musik verstehe, und streicht mir gleichzeitig ein paar Haare aus dem Gesicht. Das spießige Mausi von vorher motzt sofort in mir los: Aber das magst du doch nicht, oder? Der zerzauselt dir die Haare! Aber ich merke, wie mein innerer Widerstand sich aufzulösen beginnt, weich wird wie ein Stück Schokolade in einer Kinderhand, und ich unternehme nichts dagegen, obwohl ich merke, wie sich die Haarklammern am Hinterkopf lösen.
»Das wollte ich schon machen, als ich dich das erste Mal gesehen habe. Obwohl du mich auf dem Boot vom Hans so böse angefunkelt hast!«
Was genau machen? Bevor ich das zu Ende denken kann, packt er plötzlich fester zu, nimmt sich eine ganze Handvoll Locken, und küsst mich, die Lider mit den unverschämt langen Wimpern geschlossen. Hoppla! Moment mal! Mann, küsst der gut! Aufhören! Bitte, bitte, weitermachen! Aufhören! Meine Gedanken scheinen sich auf trotziges Kleinkind-Niveau eingependelt zu haben, obwohl dieser Kuss alles andere als jugendfrei ist. Unsere Vorderzähne stoßen kurz aneinander, während ich mit noch weicher werdenden Knien denke, dass wir das eigentlich auch daheim haben könnten, und dass wir dafür nicht auf diese Trachtenfeier gehen, und dass ich dafür nicht Mamas Dirndl anziehen hätte müssen, und dass ich dann nicht das Gefühl hätte, dass sie mir immer noch total indiskret weiter zuschaut. Wahrscheinlich hat sie mit irgendjemand da oben eine Wette laufen, wie lange es dauert, bis mir die Miederknöpfe wie eine Maschinengewehrsalve einer nach dem anderen abspringen.
Aber nichts springt, nichts reißt,
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