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Zipfelklatscher

Zipfelklatscher

Titel: Zipfelklatscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hohner
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meines Experiments nicht offiziell verkaufen, weil mich sonst Herr Koferl in Pastete verwandelt, dafür rege ich mich aber auch nicht auf, als die erste Räucherrenke schmeckt wie eingeschlafene Füße. Angebrannte eingeschlafene Füße. Um neun Uhr abends kommt ein ausgewachsenes Gewitter herunter, aber auch das stört mich nicht, es klärt sich auf, auch das ist mir egal, ich habe zu tun. Die Neonröhre im Schlachtraum summt, in den Spinnennetzen vor dem Fenster hängen die Regentropfen wie in unsichtbaren Hängematten, und ich packe die fünfte und letzte Ladung Renken in die Räucherkammer. Fertig. Experiment geglückt. Ich glaube, ich hab’s.
    »ICH MUSS DICH SEHEN, ICH HABE EINE IDEE!«
    Das habe ich David jetzt schon vor sicher dreißig Minuten geschrieben und keine Antwort bekommen. Klingt das zu dringend? Am Ende sogar verliebt? Soll ich einfach zum Hotel hochlaufen, anstatt eine SMS an jemand zu schreiben, der fünfzig Meter Luftlinie von mir entfernt arbeitet? Und wenn es ihn nicht interessiert? In dem Moment, als ich aufhöre, wie verrückt herumzuwerkeln, fährt in mir eine Panik hoch, mit der ich nicht gerechnet habe. Wir haben uns seit zwölf Stunden nicht gesehen und er hat sich seitdem nicht gemeldet. Was, wenn er mich einfach nicht wiedersehen möchte? Das Ergebnis meiner Versuchsreihe nicht testen will? Nicht nachsehen will, ob sich das vom Liebemachen plattgedrückte Schilf in unserer kleinen Bucht schon wieder aufgerichtet hat? Habe ich mich da total in etwas verrannt?
    »Du wartest auf eine SMS, und das schon seit einer halben Stunde?« Meine Schwester lacht sich einen, als ich ihr mein Leid klage. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal von meiner abgeklärten Schwester hören würde! Wo bleibt denn da dein großer Wunsch nach Unabhängigkeit? Du bist doch nicht etwa verknallt? Du wirst mir doch an unserem Geburtstag nicht so etwas wie einen Freund präsentieren?«
    »Ach, blas mir doch den Schuh auf, ich hab dich nur angerufen, um zu sehen, ob ich hier Empfang habe«, motze ich meine Schwester an und lege auf, nicht dass mir eine SMS entgeht, wenn ich mit der Fränzi quatsche. Das Display meines Telefons aber bleibt schwarz und ich ärgere mich total über David und über meine Schwester, und eventuell und minimal über mich selbst, während ich die Düse des zischenden Hochdruckreinigers über die Arbeitsplatten schwenke. Ich bin kurz davor, das blöde Handy ebenfalls unter Wasser zu setzen, weil das immer noch besser ist, als auf eine Antwort zu warten, die wahrscheinlich gar nicht kommen wird.
    »Was hat dir denn das arme Natel getan?«
    »Nix«, sage ich und schwenke vor Schreck erst einmal die Hochdruckdüse über meinen unerwarteten Besuch, bevor ich den roten Knopf am Kompressor erwische. Meine Knie in der Gummilatzhose sind plötzlich so weich, als hätte ich mit der Maschine auch gleich meine Körperspannung mit ausgeschaltet. David. Steht einfach da und sieht saugut aus. Und grinst, obwohl er trieft wie der Fisch unterm Schwanz. Was mach ich denn jetzt? Küsse ich den jetzt? So, wie ich aussehe? Nass und fischig?
    »Mmh, nass und fischig!«, flüstert David in mein Ohr, nachdem er mich von oben bis unten abgeschmust hat. »Sag mal, was machst du denn hier? Ich denke, du hast zu?«
    »Weil ich was für dich habe! Überraschung!«
    Karierte Tischdecke, zwei kalte Bier, und vor allem die vier Renken mit Nummern drauf: Das ist die Überraschung. Zur Verkostung habe ich unten am See einen kleinen Tisch eingedeckt, und erst als ich ihn an der Hand dorthin führe, merke ich, welche Angst ich gehabt habe, dass David nicht kommen würde.
    »Was ist das? Fische mit Zahlen? Zum Auseinanderhalten?«
    »Probieren! Alle probieren!«
    David setzt sich, wie ich es ihm befohlen habe, und während er seelenruhig einen Fisch nach dem anderen filetiert und nach den Probierhappen immer einen Schluck Bier hinterhertrinkt, trete ich nervös von einem Bein auf das andere, als hätte ich eine plötzliche Blasenschwäche und warte auf sein Urteil.
    »Eins und Zwei schmecken ganz normal. Und die Drei hier – die schmeckt wow ! Weniger rauchig. Sanfter. Und die Vier? Mild. Aromatisch! Was hast du mit denen gemacht? Hast du die flambiert?«
    »Mit Mirabellenholz geräuchert! Spezialausgabe! Nur für begrenzte Zeit! Was hältst du davon?« Ich starre David an, voller Angst, dass er mit den Schultern zuckt, sagt: »So ein Käse«, und wieder hochgeht zu seinem Hotel und zu seinen Edelfischen. Er kann aber

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